Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 8

Von den schönsten 108 Stufen – Der Bau der Beilsteiner Klostertreppe im ausgehenden 17. Jahrhundert

Als am 23. Mai 1686 die Karmelitermönche in Beilstein feierlich den Grundstein zum Neubau ihres Klosters legten, mussten dem bedeutende Erdarbeiten voran gegangen sein.

Der Klosterbau wurde als weitläufige Vier-Flügel-Anlage konzipiert. Den nördlichen Abschluss sollte die fünf Jahre später 1691 im Bau begonnene Klosterkirche bilden.

Das mittelalterliche Beilstein mit seiner Stadtbefestigung hatte sich ab 1310 unterhalb des sogenannten Kammerberges angesiedelt.

Innerhalb der Stadtmauer, aber auch im östlich gelegenen Bachtal war der geplante große Klosterbau nicht zu realisieren.

Grundriss des Beilsteiner Klosters und der Pfarrkirche. Die Klostertreppe erschließt den Vorplatz von Westen aus.

 

Zwischen 1683-1686, als die Karmeliten von der Beilsteiner Herrschaft über Burg und Stadt, den Herren von Metternich, den Rammerberg samt einer Stiftung von 2000 Talern zum Bau eines Klosters übereignet bekamen, war klar an welchem Ort der Bau entstehen würde.

 

Das Gelände war unwegsam und zum Bau großer Gebäude zunächst denkbar ungeeignet.

Nach Osten hin musste Fels und Erdreich entnommen werden. Der westlich zur Mosel hin abfallende Berg wurde mit einer stabilen Mauer befestigt und mit dem entstandenen Aushub aufgefüllt.

So entstand ein genügend großer und ebener Bauplatz.

Die Aufnahme zeigt deutlich, dass man größere Felsformationen beließ und die westliche Stützmauer teilweise um und über den Fels errichtete.

 

Wo es möglich war, beließ man den Felsen und baute beispielsweise den Wohntrakt des Priors, also den Westflügel auf den belassenen Schieferfelsen.

Das Foto, um 1910 aufgenommen, zeigt das helle Mauerwerk, aufliegend auf dem dunklen Schieferfelsen – diesen teilweise sogar in die Außenwand mit einbeziehend.

 

Von der Ostseite wurde der Bauplatz wohl kurz vor 1686 erschlossen mit dem Bau eines Zufahrtsweges (heute Klosterstraße).

Um das Kloster und die Klosterkirche an den Beilsteiner Ortskern anzubinden galt es, an der Westseite des Bauplatzes einen Höhenunterschied von rund 18 Metern zu überwinden. Das erforderte den Bau einer Treppe.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte die Klostertreppe mit ihren 108 Stufen zwischen 1686 und 1692 entstanden sein, rechtzeitig zum Bezug des Klosters.

Die Treppenanlage macht nach etwa zwei Dritteln eine Linkswendung und führt das letzte Drittel in nördlicher Richtung, unterhalb des eingeebneten und mit Mauern eingefriedeten Rammerberges bis auf den Vorplatz der Kirche.

Eingang ins nördliche Seitenschiff der Kirche. Drei von sechs Stufen befinden sich heute unter dem Boden und verweisen auf das wahrscheinliche Bodenniveau des Kirchenvorplatzes im 17. Jahrhundert. (Aufnahme 1952)

 

Die Treppe des 17. Jahrhunderts bestand ursprünglich aus 108 handbehauenen Stufen aus Basaltstein, einem harten Material vulkanischen Ursprunges.

Aber selbst dieser harte Basalt wies nach gut 200jähriger Nutzung starke Gebrauchspuren auf, wie diese Fotografie aus der Zeit um 1900 erkennen lässt.

Die Trittkanten sind links und rechts, unterhalb der Handläufe erkennbar abgenutzt und ausgetreten.

Auch war man in den 1680er Jahren beim Bau der Klostertreppe nicht in der Lage die ganze Breite der Treppe mit einer einzigen Stufe abzudecken. Je zwei Basaltstücke bildeten eine Trittstufe. Die beiden steinernen Elemente wurden mit eisernen Klammern vor dem Verrutschen bzw. Herauslösen gesichert.

Vor der Erfindung einer stabilen Betonunterkonstruktion war diese Methode zur Zusammenführung von Steinquadern oder -stufen nicht unüblich. Die Eisenklammern in ihren Steinmulden wurden manchmal mit Blei ausgegossen, um sie vor Korrosion zu schützen.

Blick vom Kloster hinab zum Fuß der Treppe

 

Nach der Fertigstellung der Klostertreppe kam es links und rechts der Treppe zum Bau einiger Wohnhäuser.

Diverse Hausmarken und Jahreszahlen verweisen hier auf eine rege Bautätigkeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

In dieser Zeit hat Beilsteins berühmte Klostertreppe ihr einzigartiges architektonisches Gepräge erhalten, welches den Ort seit mehr als zwei Jahrhunderten über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat.

 

Spätestens seit den Aufnahmen mit Heinz Rühmann und Leni Marenbach auf der Klostertreppe anlässlich der 1936er Spielfilmproduktion

„Wenn wir alle Engel wären“

ist die Treppe zentraler und beliebter Bestandteil sämtlicher, in Beilstein abgedrehter Filme.

 

Auch für den Tourismus, der im Ort seit Mitte der 1930er Jahre an Bedeutung gewonnen hatte war die Klostertreppe wichtig.

Zahlreiche Besucher wählten sie als Zielpunkt ihrer Moselreise aus.

Das Foto zeigt vermutlich zwei Wanderer um das Jahr 1935 vor dem Wohnhaus der Familie Sausen auf der linken Seite der Treppenanlage.

Die Frau des Hauses hält aufmunternd eine Flasche Moselwein für die zwei Wanderer bereit.

Im März 1974 wurden alle 108 Basaltstufen aus dem 17. Jahrhundert herausgerissen und gegen industriell gefertigte Basaltformstufen ausgetauscht. Die beiden Fotos bilden die seinerzeitige Baumaßnahme ab. Nahezu sämtliche alten Stufen landeten auf der Bauschuttdeponie. Einige wenige hat man gerettet und als Spolien an anderer Stelle wieder verbaut. Zwei dieser Stufen habe ich im Jahre 2002 in der Weinkneipe des Ferienhauses „Altes Spukhaus“ eingebaut und sie erfreuen sich in ihrer Zweitverwertung seitdem des begeisterten Zuspruches der Hausgäste. Ob der Austausch der 108 Stufen vor 50 Jahren so eine gute Idee der Gemeinde war, möchte ich hier nicht weiter disputieren. Nicht alles Neue ist grundsätzlich besser als das Alte. Hätte man es bei den 300 Jahre alten Stufen belassen, es hätte dem Örtchen mit seiner romantischen Klostertreppe bestimmt gutgetan.

Literaturempfehlungen:

Vogts Hans: Kunstdenkmäler der Rheinprovinz – Band Kreis Zell, S.55-79, Düsseldorf 1938
Friderichs A., Gilles K.J.: Beilstein an der Mosel -in Rheinische Kunststätten Heft 242, Köln 1980

Von der Mosel und ihrer Bedeutung für Beilstein

Flüsse trennten Jahrhunderte lang Landschaften und Herrschaftsgebiete. Brücken gab es oft nur an wichtigen Orten und Handelsplätzen. Diese Handelsplätze siedelten sich zumeist an Orten an, wo Flüsse zusammenliefen (z.B. Koblenz) oder an Stellen, wo Flüsse recht schmal waren und Furten bildeten. Hieraus leiten sich Städtenamen wie Frankfurt, Straßfurt, Schweinfurt etc. ab. Zumeist waren die Menschen an den Flüssen aber angewiesen auf Fähren, Kähnen, Nachen und ähnliche Hilfsmittel. So auch an der Mosel. Brücken gab es bis ins 19./20. Jahrhundert an der Mosel lediglich in Koblenz und Trier.

Altes Luftbild aus den 1930er Jahren: Beilstein liegt als letzter Ort auf der rechten Seite der Mosel. Die waldreichen Hunsrückhöhen jenseits des rechten Ufers sind gut zu erkennen.

So sah die Mosel – vor dem Bau der Staustufen und der damit einhergehenden Erhöhung des Wasserspiegels- Jahrhunderte lang aus zwischen Ellenz und Beilstein.
Auch diese Fotografie wurde von der Beilsteiner Seite aufgenommen, diesmal moselaufwärts, Richtung Briedern.
An der linken Uferseite sind umfangreiche Kribben- Werke zu entdecken.
Dass es zwischen Beilstein und Ellenz- Poltersdorf schon früh eine Fährverbindung gab. (Die Fähre findet erstmalige Erwähnung im Ellenzer Schöffenweistum von 1461), war kein Zufall.

Die Ellenz- Poltersdorfer Gemarkung umfasste ursprünglich auch das Gebiet des heutigen Beilsteins. Erst 1308 erhielt Beilstein durch königliche Verfügung das Stadtrecht. Trotzdem blieben vielfältige Verbindungen und gemeinsame Nutzungsrechte erhalten. So beispielsweise das Weiderecht fürs Vieh im Ellenz- Poltersdorfer Gemeindebann – gelegen auf der Beilsteiner Moselseite. Dieses Nutzungsrecht blieb bis ins 18. Jahrhundert erhalten und wurde von den Bewohnern beider Moselseiten genutzt. Auf die recht starke ökonomische Verflechtung beider Orte verweist auch das Ellenzer Grundbuch von 1720. Hiernach waren die Beilsteiner Grundherren die Grafen von Metternich bedeutende Landbesitzer in Ellenz- Poltersdorf, ebenso das Karmeliterkloster und die Beilsteiner Pfarrkirche. Desgleichen besaßen viele Beilsteiner Einwohner Gärten und Grundstücke auf der anderen Moselseite.

Zu diesen harten Lebensbedingungen gehörte ein hoher Grad an Selbstversorgung. Selbstangebautes Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte besserten den täglichen Speiseplan auf.

Beilstein besitzt kaum Fläche für Gärten.

Im gegenüberliegenden Ellenz- Poltersdorf besaßen viele Beilsteiner kleine Gärtchen oder hatten solche gepachtet.

Dazwischen lag allerdings die Mosel, die es zu überwinden galt.

Dieses Foto aus den 1920er Jahren bildet eine Gruppe von Beilsteinern auf der Fähre ab. Sie setzen gerade über von Ellenz nach Beilstein.

 

Einige Jahre später entstand diese Aufnahme mit recht ähnlichem Bildmotiv.

Es handelt sich um eine Sammlerkarte eines Zigarettenherstellers.Solche Sammelbildchen klebte man in spezielle und themenbezogene Sammelalben.Das war ein beliebtes Hobby vor dem 2. Weltkrieg.

Die Beilsteiner Alltagsszene stand hier exemplarisch für das beschwerliche Leben der Moselwinzer.

Blick von der Ellenzer Seite auf Beilstein. Die Ellenzer Anlegestelle lag etwas außerhalb des Ortskernes

Eine Verbindung über die Mosel war also lebensnotwendig. Das Fährrecht stand im ausgehenden Mittelalter wohl der Gemeinde Ellenz- Poltersdorf zu. Mit der französischen Besetzung des Mosellandes ab 1794 war Schluss mit solcherlei feudalen Sonderrechten. Wie es hernach mit dem Fährbetrieb weiterging, geben die historischen Quellen nicht her. Höchstwahrscheinlich haben sich die Bewohner beider Seiten mit der Nutzung kleinerer und größerer Kähne beholfen. Diese heißen an der Mosel Nachen.

Auf der nun folgenden Abbildung, einem Holzstich von 1886 sind sowohl einige Fischerboote, als auch Nachen verschiedener Größe zu erkennen.

Auf einem der Nachen wird Vieh transportiert. Ganz im Hintergrund ist bereits ein dampfbetriebenes Schiff zu erkennen, welche die Mosel seit den 1840er Jahren befuhren. Einige Familien besaßen eigene Nachen, andere waren bei der Überfahrt auf die Hilfe ihrer Nachbarn angewiesen. Auf diesen Nachen wurde alles nur Erdenkliche transportiert: Menschen, Vieh, Ochsenwagen, Gemüse, Obst, Holz, Baumaterialien und vieles mehr.

Druckgrafik von G. Franz, aus: Rheinfahrt – Von der Quelle des Rheins bis zum Meer, Erscheinungsjahr:1876

 

Das mitunter sehr waghalsige Beladen dieser Nachen machte die Moselquerung oft zu einem recht gefährlichen Vorhaben.

Hiervon zeugt u.a. ein Ereignis aus dem Jahr 1917.

Am 3. Januar 1917 versucht eine Gruppe von Männern ( u.a. russische Kriegsgefangene) einen vollbeladenen Mistkarren am Beilsteiner Ufer auf einen Nachen zu hieven.

Der überladene Nachen bekam Übergewicht und kenterte. In der eiskalten Mosel, die zudem noch Hochwasser führte, fanden elf Menschen den Tod.

Nicht zuletzt wegen solcher Ereignisse und Unfälle wurde bereits im Jahr 1908 eine geräumige und weit sichere Fähre in Betrieb genommen.

Dieses nachkolorierte Foto von 1908 zeigt die Fähre beim Anlegen auf der Beilsteiner Seite.

Im Anschluss an die umfangreichen Erdarbeiten, d.h. dem teilweise Aufschütten und Angleichen des Uferbereiches auf ein identisches Bodenniveau Anfang der 1890er Jahre hat man auch eine stabil gemauerte steinerne Rampe am Moselufer errichtet.

Diese flach ins Wasser abfallende Steinrampe wurde auf beiden Seiten eingefasst durch starke Bruchsteinmauern, die weit in den Fluss hineinragten und die Rampe zu ganz unterschiedlichen Wasserpegeln nutzbar machte.Zwischen den beiden Außenmauern war die Anlegerampe belegt mit Kopfsteinpflaster aus Grauwacke.

Mauerstärke (etwa 80 cm Durchmesser) und Pflasterung sind auf dieser Aufnahme von 1938 noch besser zu sehen.

Die wohl recht stabile Ausfertigung des Bauwerkes mußte winterlichem Eisgang, aber auch zahlreichen Hochwässern (mit Treibgut, wie Ästen, Bäumen, Gerümpel) widerstehen.

Abgebrochen wurde die Rampe nach mehr als 70jähriger Nutzung erst 1964.

Mit dem Bau der Staustufen und der Erhöhung des Moselpegels um etwa drei Metern an dieser Stelle war die Rampe überflüssig geworden.

Die nun folgenden Fotografien zeigen den Uferbereich um die Jahrhundertwende. Etwa zwei Meter unter dem Straßenniveau gabelt sich der Weg. Links führte er Richtung Altes Zollhaus; rechts zum Gasthof Bauer.

Auf der gegenüberliegenden Ellenzer Seite verlief die gemauerte Steinrampe im spitzen Winkel moselabwärts, drängte das Wasser in die Flussmitte bzw. Fahrrinne und besaß somit auch die Funktion einer Kribbe, d.h. Flussregulierung. Das folgende Foto stammt etwa aus der Zeit um 1900.

Auch die steinerne Rampe am Ellenzer Ufer war belegt mit Kopfsteinpflaster und erleichterte Fuhrwerken, zunehmend auch Autos die Nutzung der Fähre. Die nächste Aufnahme gibt den Zustand um das Jahr 1950 wieder.

 

1935 wird schließlich eine Gierponte d.h. Hochseilfähre in Dienst gestellt.

Solche Hochseilfähren besitzen am Heck und am Bug des Schwimmkörpers ein Seil, welches mit einem quer über die Mosel gespannten Sicherungsseil verbunden ist.

Durch genaues Austarieren dieser Seile und die Stellung des Ruders konnte man mit Hilfe der Moselströmung von einem Ufer zum anderen gelangen.


Hier wird ein ganzes Pferdefuhrwerk bzw. ein Ochsengespann mit der Fähre zwischen Beilstein und Ellenz übergesetzt (beide Fotos um 1930 aufgenommen). Das war nie so einfach. Man mußte die Tiere während der Überfahrt ruhig halten, die Fähre dürfte durch plötzliche Gewichtsverlagerung keine Schlagseite erhalten, was ein Kentern zur Folge gehabt hätte. Seit der Kanalisierung und dem Ausbau der Staustufen Anfang der 1960er Jahre hat sich die Strömung der Mosel stark verlangsamt. Seitdem wird die Fähre mit einem (kaum zu überhörenden) Benzinmotor betrieben.

Mit diesem eigenen Motor war die Fähre auch so wendig und flexibel, dass sie als Einstiegshilfe für die Touristenmotorboote eingesetzt werden konnte.

Ab den 1960er Jahren nahm der Tourismus in Beilstein einen starken Aufschwung.

Waren es zunächst kleine Motorboote mit wenigen Gästen, landen heute Schiffe in Beilstein an, die bis zu 400 Personen befördern können.

Mittlerweile gibt es hierfür einen eigenen Landungssteg. Das war zu Beginn der 60er Jahre noch nicht nötig und die Beilsteiner Moselfähre tat auch hier ihren Dienst.

Die Beilsteiner Fähre besitzt übrigens keinen taktierten Fahrplan oder feste Anlegezeiten.

Ist sie gerade am anderen Ufer und man will hinüber, empfiehlt es sich wild zu gestikulieren und darauf zu hoffen, dass der Fährmann gerade keine Kaffeepause macht – ein Stück nostalgische Vergangenheit, aber irgendwie auch symphatisch in unserer schnelllebigen Zeit.

Wer sich in dieses interessante Thema noch weiter vertiefen möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle eine wirklich gute und seriöse Internetquelle: Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.

Personenschifffahrt auf der Mosel in alter Zeit – Die Reisenachen

 

Von traditionsreicher Sektmarke und Beilsteiner Adelsgeschlecht und was das eine mit dem anderen zu tun hat:  Fürst Metternich

In Beilstein stößt man unweigerlich immer wieder auf den Namen Fürst Metternich. Die Burgruine oberhalb des Ortes ziert sich mit seinem Namen, Burg Metternich und im Ortskern finden wir seit den 1960er Jahren auch eine Fürst-Metternich-Straße. Das Hotel Haus Lipmann auf dem Marktplatz schmückt sich dergleichen mit dem Namenszusatz „ehemalige fürstgräfliche Kellnerei“. Was sind die Gründe für diese Namensgebungen und was hat das mit der Sektmarke Fürst Metternich zu tun?
Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert bis zum Beginn der französischen Besetzung Beilsteins im Jahr 1794 hat Beilstein drei Adelsgeschlechter als Herrscherdynastien erlebt. Die von Braunshorner wurden schon nach einigen Jahrzehnten durch die Heirat Lysa von Braunshorns abgelöst von der Familie derer von Winneburg-Beilstein. Das Domkapitel in Trier verlehnte Beilstein schlussendlich im 17. Jahrhundert an die Familie von Metternich. Rechtzeitig vor der Zerstörung der Beilsteiner Burg im Zuge der pfälzischen Erbfolgekriege durch Truppen Ludwigs XIV im Jahre 1688/89 verlagerten die Metternichs ihren Stammsitz von Beilstein nach Koblenz.

 

Als letzter seiner Familie musste Franz Georg Karl Graf von Metternich (1746 -1818) den Verlust seiner linksrheinischen Besitzungen (so auch die Herrschaft Beilstein) durch das revolutionäre Frankreich im Jahr 1794 hinnehmen.

Auf dem Reichdeputationshauptausschuss 1803 wurde er mit der Reichsabtei Ochsenhausen für seinen Gebietsverlust entschädigt und trug seither auch den Fürstentitel.

Sein Sohn Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773-1859) in Koblenz geboren, studierte zunächst in Straßburg und anschließend bis 1794 in Mainz Staats- und Rechtswissenschaften.

Schnell machte er in unterschiedlichen Positionen Karriere in diplomatischen Diensten. 1809 wurde er österreichischer Außenminister, 1821 österreichischer Staatskanzler.

Fürst Metternich als Verhandlungsführer auf dem Wiener Kongress (5.Person stehend von rechts)

Bei der Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleons auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurde er zum entscheidenden Außenpolitiker und „Strippenzieher“. Die Neuordnung Europas mit monarchistischer Autorität, Ablehnung einer Verfassung, antidemokratischer Justiz und Staatsverwaltung fußte auf seinen Ideen. Strenge Regeln der Pressezensur, Verfolgung demokratischer Opposition, Polizei-, Spitzel- und Obrigkeitsstaat trugen seinen Namen: „Das Metternich`sche System“. Durch die Märzrevolution 1848 in Österreich und weiteren europäischen Staaten gelang es den Revolutionären den verhassten Metternich als Sinnbild für das reaktionäre, alte Europa seines Postens zu entheben und ihn zum Verlassen des Landes zu zwingen.

 

Aber schon 1851 kehrte er nach Niederschlagung der Revolution nach Wien zurück und war bis zu seinem Tode 1859 Berater des österreichischen Kaisers Franz Joseph.

Dessen Großvater, Kaiser Franz I schenkte Metternich im Jahr 1816 aufgrund seiner „diplomatischen Verdienste bei der Neuordnung Europas“ im Sinne der Habsburger das ehemalige, um 1100 gegründete Benediktinerkloster Johannisberg im Rheingau mit dem ältesten Riesling-Weinberg Europas. So war Metternich Eigentümer eines renommierten Weingutes geworden. Fortan sorgte er sich intensiv um sein Weingut und riet 1834 hellsichtig seinem Kellermeister Heckler sich um die Produktion von moussierenden Weinen (Sekt) zu kümmern.

 

Jacob Söhnlein, Besitzer der Schaumweinkellerei Söhnlein strebte 1864 eine Zusammenarbeit mit der Domäne Schloss Johannisberg an und war damit wirtschaftlich recht erfolgreich.

Einige Generationen später wurden 1929/30 die Schloss Johannisberger-Sektcuvées kreiert, die schließlich vermarktet wurden unter dem Wappen und dem Namen der Familie Metternich-Winneburg.

 

1934 kommt es zu einem Vertrag zwischen der „Fürst von Metternich-Winneburg´schen Domäne Schloss Johannisberg“ und der Sektkellerei Söhnlein Rheingold.

Söhnlein verpflichtet sich zu einer festen Abnahmemenge von Grundwein und etabliert schließlich den Markennamen Fürst Metternich Sekt.

Vom Fürsten Metternich, seiner Prinzessin Metternich-Winneburg zu Beilstein und der Wiener Baletttänzerin Fanny Elßler – Eine verworrene Beilsteiner Geschichte aus den 1820er Jahren

Der Historiker ist stets gehalten, so er denn seriös arbeitet, Geschichten nur nach intensivem Quellenstudium zu veröffentlichen. Sind die Quellen unsicher oder nicht vorhanden, bewegt man sich „auf dünnem Eis“. Ich will im Folgenden trotzdem einige Puzzlestücke, die belegbar sind vorstellen und sie mit einigen Hypothesen verknüpfen. Der geneigte Leser ist gehalten, seine eigenen Schlüsse zu ziehen und meiner Theorie zu folgen oder sie für unwahrscheinlich zu verwerfen.
Im Jahr 1925 wurde das Synagogengebäude in Beilstein an die Familie Jobelius verkauft. Die jüdische Gemeinde war so klein geworden, dass sie sich auflöste und von ihrem Besitz trennte. Jobelius zogen mit ihren Kindern in das Haus, im Mansardenbereich wurden die Kinderzimmer eingerichtet. Als das Gebäude 1988 von der nachfolgenden Generation Jobelius an den heutigen Besitzer Karl Wiebach veräußert wurde, kam es während der Verkaufsgespräche zu einer rätselhaften Erzählung.

Wohnhaus der Familie Jobelius (ehem. Wohntrakt der Synagoge) um 1930 mit der rückseitigen Hausfront zur Alten Wehrstraße. Die beiden Mansardenfenster sind deutlich erkennbar.

 

Die 1931 geborene Tochter Anneliese aus der Familie Jobelius berichtete aus ihren frühen Kindheitserinnerungen, dass sich im Fensterglas ihres Jugendzimmers über lange Zeit der wohl mit Diamant eingeritzte Name Fanny Elßler befand.

Sie konnte mit dem Namen nie etwas anfangen und auch sonst dürfte es in Beilstein niemanden gegeben haben, der mit Fanny Elßler irgendwelche erhellende Informationen verbinden konnte.

Zum Zeitpunkt des Hausverkaufes 1988 existierte dieses Fensterglas auch nicht mehr.

 

Hier der Blick auf Jobelius`Wohnhaus mit der Hausfront zur Stadtinnenseite, zur Weingasse hin.

Aus dem offenen Fenster blickt die seinerzeit zweijährige Anneliese Jobelius.  (Aufnahme: Sommer 1933)

Die Vorgehensweise mit einem Diamantring im Fensterglas eines Hauses seinen Namen zu hinterlassen war in dieser Epoche in gewissen Kreisen nicht unüblich. So lassen sich bsw. in der Villa Böcking, die heute in Traben-Trarbach das Mittelmosel Museum beheimatet (und auch einmal Goethe für eine Übernachtung beherbergte) etliche Beispiele für solche Namensgravuren im Fensterglas nachweisen. Einerseits konnte man für sehr lange Zeit seinen Aufenthalt im Hause dokumentieren, darüber hinaus bedingte die Glasgravur den Besitz eines Diamantringes und war somit gleichzeitig eine gewisse Statusanzeige. Wir können also mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit den Aufenthalt von Fanny Elßler im Hause annehmen.
 

Wer war Fanny Elßler?

Hier muss ich ein wenig ausholen und einige Puzzlestücke hinzufügen.

Im Jahre 1825 wurde der Sohn des letzten Metternich- Grafen, der über Beilstein herrschte, der damalige österreichische Außenminister und Staatskanzler Fürst Clemens Lothar von Metternich (1773-1859) durch den Tod seiner Frau zum Witwer.

Nur zwei Jahre später 1827 heiratete er die 33 Jahre jüngere Maria Antonie von Leykam.

Fürst Clemens Lothar von Metternich (1773-1859)

Maria Antonie Leykam (1806-1829)

 

Sie war mütterlicherseits nicht von adeliger Herkunft und die Wiener Hofgesellschaft nahm Anstoß an diesem Umstand.

Metternich erwirkte 1827, noch vor seiner Verlobung über das Wiener Heroldsamt vom österreichischen Kaiser Franz I. die Verleihung eines Adelstitels an seine zukünftige Frau.

Diese trug von nun an den Titel: Maria Antonia Prinzessin von Metternich-Winneburg zu Beilstein.

Der Titel erlosch allerdings wenige Monate später mit der Vermählung und hernach hieß sie Fürstin von Metternich.

Soweit die belegbaren Fakten.

Ab jetzt werden meine „Puzzlestücke“ spekulativ. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dürfte Metternich seiner Ehefrau nahegelegt haben, sich mit dem Führen des Beilstein- Namens den Ort auch einmal persönlich zu visitieren. Unwahrscheinlich, dass Metternich sie hierbei selber begleitet hat. Wen wird er für eine solche Reise auserwählt haben?
Ab 1809 wurde Metternich in Wien von einem Diplomaten beraten und unterstützt. Friedrich von Gentz wurde sein engster Berater und erlangte den Titel außerordentlicher Hofrat. Er wurde sein politischer Berater, schrieb teilweise seine Reden, koordinierte Metternichs Tagesablauf und genoss auch in privaten Dingen das Vertrauen Metternichs. Dass von Gentz den Auftrag erhielt, die junge Braut Metternichs nach Beilstein zu begleiten, ist zumindest als Annahme nicht ganz unwahrscheinlich. Die Prinzessin Metternich-Winneburg zu Beilstein verstarb sehr jung. Nur zehn Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes erlag sie am 17.1.1829 in Bad Königswart / Böhmen den Folgen einer schweren Geburt.

 

Wenn es denn zuträfe, dass von Gentz in Beilstein war und Gefallen an den mittelalterlichen, „romantischen Gemäuern“ fand, so ist die nächste Hypothese ebenfalls nicht unwahrscheinlich, dass er den Ort in späteren Jahren nutzte, um seine blutjunge Geliebte Fanny Elßler zu beeindrucken.

Friedrich von Gentz (1764-1832)

Fanny Elßler 1810-1884)

 

Friedrich von Gentz war begeisteter Theaterbesucher.

Hier lernte er 1829 die Tänzerin Fanny Elßler kennen.

Er war 65, sie gerade einmal 19 Jahre alt.

Der Altersunterschied dürfte am Wiener Hof zu einigem Missfallen geführt haben.

Ein Ausflug bzw. Rückzug an einen vom Wiener Hof ungestörten und zudem romantischen Ort dürfte hier für die beiden nicht die schlechteste Idee gewesen sein.

Was Fanny Elßler möglicherweise um 1829/30 in den Wohntrakt der ehemaligen Synagoge verschlagen hat, bleibt ein Rätsel. Die Gebäudeteile der Synagoge waren zu diesem Zeitpunkt im Streubesitz jüdischer Beilsteiner. Laut Einwohnerverzeichnis von 1832 befanden sich die drei Parzellen der bebauten Fläche im Besitz von Moses Elias, Bernhard Coppel und dem Hotelier Samuel Lipmann. Hat von Gentz womöglich im seinerzeit einzigen Beilsteiner Gasthaus, dem Lipmann´schen Anwesen genächtigt? Weiterhin, hat der jüdische Hotelier Samuel Lipmann der jungen Geliebten im Haus der jüdischen Gemeinde eine Schlafstätte zur Verfügung gestellt, um möglicherweise die Etikette zu wahren? Nun sind wir mit unseren Fragen endgültig im Spekulativen und Verhältnissen, wie es ein biedermeierliches Boulevard sich wünschte, angekommen. Dennoch, muss die Namensgravur in der Fensterscheibe vom Haus Weingasse 13 irgendwie entstanden sein, die ziemlich genau hundert Jahre später bemerkt und weitererzählt wurde und da ist meine Geschichte vielleicht nicht die Schlechteste.