Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 2

Nach 1910, als das Kellergeschoss des letzten Gebäudes abgetragen war, erinnerte nichts mehr an die ehemalige Bebauung.

Schaut man sich aber dieses Foto (etwa 1920) genau an, entdeckt man in der Straßenpflasterung durch den Verlauf des rechten Rinnsteines noch das alte Flurstück, d.h. die ursprüngliche Bebauung rechts des Rinnsteines.

Vielleicht waren die stark moseluntypischen Satteldächer ein Hauptgrund für die problemlos erteilte Abrissgenehmigung der zwei Bauten im Jahr 2010/11.

Seit 2011 steht an dieser Stelle das „Hotel Villa Beilstein“, ein kompletter Neubau, der sich nach außen hin als barockes viergeschossiges Gebäude mit Mansardwalmdach zeigt.

Übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie sich ein kompletter Neubau behutsam in historisches Umfeld integrieren kann.

Die nun derart umgestaltete und modernisierte Moselfront Beilsteins zeigt sich in kaum zu glaubender Bildqualität auf diesem nahezu 120 Jahre alten Farbfoto.

Diese Farbfotografie wurde erstellt mittels des 1903 von Adolf Miethe erfundenen Verfahrens der Dreifarbenfotografie nach der Natur .

Das Aufnahmedatum dürfte in den Jahren 1903 bis 1910 liegen

(Teilabriss des Lipmann`schen Rundturmes).

Von der mittelalterlichen Stadtmauer – der Nord-West-Turm

Dieser Rundturm war ehemals Teil der mittelalterlichen Stadtmauer von Beilstein. Die Häuserreihen links und rechts des Turms stehen auf den Fundamenten der Stadtmauer.

Nach Niederlegung der Stadtmauer wurde die Beilsteiner Synagoge (2. Haus rechts des Rundturmes) moselseitig verlängert und somit um einiges vergrößert.

Das Zollhaus ganz rechts stand bereits auf Baugrund außerhalb der Stadtmauer.

Foto etwa 1910

 

In Berlin hat es um 1900, in der Französischenstrasse/ Ecke Friedrichstrasse, ein Lokal mit dem Namen II. Rheinische Winzerstube gegeben.

Eines der dortigen Wandgemälde wurde 1907 als Faksimile in Form einer Postkarte an die Gäste der Winzerstube verkauft.

Das Sujet dieses Wandgemäldes bildet exakt das Bildmotiv des vorhergehenden Fotos ab.

Älteste Aufnahme des Nord-West-Turmes vermutlich um 1870
Nord-West-Turm um 1910
Zwischen diesen beiden Aufnahmen des Turmes liegt ein knappes halbes Jahrhundert. Hochinteressant sind die baulichen Veränderungen, die man in dieser Zeit im angeschlossenen Westtrakt des Turmes vorgenommen hat. Besaß die westliche Fassade (zur Mosel hingewandt) um 1870 nur ein winziges Fensterchen, hat man nach 1900 etliche Fenster und eine Tür in das Mauerwerk eingebrochen. Der mittelalterliche Turm und sein westlicher Annexbau in ihrer abweisenden bzw. wehrhaften Funktion wurden offensichtlich um 1900 zu Wohnzwecken umgestaltet. War der Turm um 1870 weitestgehend noch steinsichtig, hatte man ihn 40 Jahre später mit einer Putzschicht belegt.

Von „Hinter Port“ zur Alten Wehrstraße

Die Alte Wehrstraße, so wie der Beilsteiner Tourist sie heute kennt, ist noch gar nicht so alt. Unter diesem Namen wird sie auch von kaum einem Einheimischen benannt. Für die meisten Beilsteiner ist sie immer noch „Hinter Port“ das heißt so viel wie hinter dem Tor/ außerhalb des Stadttores. So wurde sie Jahrhunderte lang bezeichnet und wir Beilsteiner sind, was Veränderungen angeht, mitunter etwas störrisch. Erst in den 1960er Jahren kam ein eifriger Verwaltungsbeamter auf die Idee Beilstein verschiedene Straßennamen zu geben. Vorher lautete die Adresse einfach Beilstein, Hausnummern gab man sich im Sinne des Gewohnheitsrechtes mehr oder weniger selber. Diesen anarchistischen Zuständen ein Ende setzend, kam es also zu richtigen Straßennamen. Historisch korrekt wählte man den etwas sperrigen Namen Alte Wehrstraße, bezogen auf die vermutete Wehrfunktion der nördlichen Stadtmauer Beilsteins an dieser Stelle.

 

Bis zum Ausbau der Straße im Jahre 1975 sah sie noch so aus, wie auf diesem Farbfoto aus den 1960er Jahren.

Es gibt zwar schon ein Straßenpflaster, auch ist der Bach im vorderen Bereich schon kanalisiert und liegt unter dem Straßenniveau, die Fahrbahn ist allerdings noch sehr schmal.

Ein Befahren mit Gegenverkehr war unmöglich. Bis 1975 war dieses aber auch nicht nötig.

Die Alte Wehrstraße endete nach etwa 100 Metern im Nichts. Jeglicher Verkehr von der Moselstraße in den Hunsrück (und auch aus der entgegengesetzten Richtung) musste sich über die Bachstraße quälen.

 

Erst 1975 wurde die Straße als Umgehungsstraße um Beilstein herumgeführt, hierzu teilweise durch den Fels gesprengt und zweispurig ausgebaut.

Aufnahme während der Bauarbeiten 1976.
Für die Trassenführung der neuen Umgehungsstraße mussten dem Berg 200.000 Kubikmeter Fels und Erdreich entnommen werden.

Unter der Alten Wehrstraße fließt nunmehr in einer Betonröhre ein aus den Hunsrückhöhen entspringender Bach (der Hinterbach), der in Höhe des heutigen Schiffanlegers in die Mosel fließt.

Heutzutage macht er das unterhalb des Wasserspiegels und ist deshalb nicht zu erkennen.

Vor dem Bau der Staustufen und der damit einhergehenden Erhöhung des Moselpegels in Beilstein um etwa drei Meter war dieses weit besser zu erkennen, wie das Foto links aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg verdeutlicht.

In trockenen Sommern konnte der Moselpegel noch sehr viel weiter absinken.

Diese Aufnahme (ebenfalls um 1905-10 entstanden) zeigt, wie weit sich die Mosel bei Niedrigwasser vom Bachzulauf zurück ziehen konnte.

Erwähnenswert hier auch das hoch aufgezogene Fischernetz.

Es wurde an diesem Tag von einem Beilsteiner Fischer zum Trocknen und Ausbessern am Moselufer aufgespannt.

Etwa 40 Jahre zuvor gab es an dieser Stelle oberhalb des Wasserspiegels der Mosel noch keine Uferstrasse.

Der Bach ergießt sich offen über eine abschüssige Geröllhalde in die Mosel. Rund fünf bis zehn Jahre später entsteht durch Befestigung der Moselstrasse an dieser Position die Wegkreuzung  Alte Wehrstrasse/ Moselstrasse.

( Aufnahme 1875 – ca. 1880)

Auf diesem Foto von etwa 1900 ist der Kreuzungsbereich, wo heute die Alte Wehrstrasse von der Moseluferstrasse abzweigt fast wie ein kleiner Freiplatz gestaltet.

 

 

Dieses Bilddokument verdeutlicht die Ausmaße des damaligen Freiplatzes am Ortseingang von Beilstein noch etwas genauer. (Aufnahme etwa 1910-15)

 

Links im Vordergrund stehen hier vier bis fünf einachsige Karren, darauf sitzen einige spielende Kinder.

Die Straße ist um das Jahr 1900 noch nicht gepflastert.

Interessant zu betrachten ist auch der große Holzvorrat zwischen Synagogengebäude und Zollhaus (Holz war Jahrhunderte lang der einzige Brennstoff in den Moseldörfern zum Heizen und zum Kochen).

 

Hier eine Fotografie, die um 1910 den besagten Bereich wiedergibt.

Im vorderen linken Bildfeld ist ein Leiterwagen zu erkennen. Interessant auch die Stelle links hinter der angelehnten Sprossenleiter:

Ein abgemauertes Becken für Mist, Gülle, Fäkalien und Essensreste, wie es vor hundert Jahren nahezu jedes Haus in Beilstein besaß.

 

In dieser Abbildung sehen wir einen Winzer bei seiner Tätigkeit.

Auf dem Rücken trägt er einen Spritzbehälter.

Auf dem einachsigen Karren ist ein Fass befestigt.

Links unterhalb des großen Baumes der – in den 1920er Jahren an dieser Stelle noch offen verlaufende – Bach.

 

In etwa zur gleichen Zeit entstand dieses Bild.

Das eingefasste Wasserbecken, welches den Bach unterirdisch in die Mosel eingeleitet hat, wurde in den Wintermonaten mit Holzbohlen abgedeckt

Dieses Foto dürfte in den 1930er Jahren entstanden sein.

Zu sehen sind zwei Karren und ein zweiachsiger Leiterwagen, an den sich zwei Weinbergsarbeiter anlehnen.

Die Straße Hinter Port ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht gepflastert und endet etwa am nördlichen Torbogen, der ins Dorfinnere führt.

Diesen damaligen Straßenverlauf kann man auf dieser Fotografie (etwa um 1900 aufgenommen) recht gut nachvollziehen.

Der Fotograf hatte als Standort wohl das Ende der Straße gewählt.

In der linken Bildhälfte einige abgemauerte Gülle- und Misthaufen. Im rechten Bildbereich ist der offen verlaufende Bach zu betrachten.

Das aufsteigende Mauerwerk aus Schieferbruchstein hat das Grundstück des Geheimen Oberbaurates Höffgen zur Straße und zum Bach abgestützt.

 

Wir bewegen uns wieder zurück zum Moselufer.

Etwa 50 Meter vom letzten Standort entfernt hat ein Fotograf rund 40 Jahre später diese Aufnahme gemacht.

Die Hinter Port ist nunmehr um 1940 zum Großteil mit Kopfstein gepflastert.

 

 

Rechtsseitig fließt der Bach im offenen Bett Richtung Mosel, in den Sommermonaten allerdings – wie hier zu sehen – eher als dünnes Rinnsal.

Was anhand dieser Aufnahme nochmals ganz deutlich wird.

Nach dem Tod meines Vaters Anfang 2019 fand ich dieses Foto in seinem Nachlass.

Es zeigt mich während meines ersten Beilsteinurlaubes am 31.7.1967 mit beiden Füßen im damaligen Hinterbach stehend.

Der historische Forscherdrang als Beilsteiner Stadtführer wurde mir ganz offensichtlich schon recht früh in die Wiege gelegt.

Fast sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer kleinen „Hinter-Port-Reise“ angelangt:

Der Bach fließt etwa in Höhe des Nord- West- Turmes durch ein Sperrgitter (zum Auffangen von Ästen und Unrat) in eine unterirdische Röhre, die nach rund 30 Metern in der Mosel endet.

Das macht der Bach auch heute noch, allerdings unterhalb der Wasserlinie, sodass der Beilsteintourist nichts von alle dem wüsste, hätte er nicht meine Kurzexkursion aufmerksam verfolgt.

An genau jener Stelle wurde 1936 diese Szene des Heinz-Rühmann-Filmes Wenn wir alle Engel wären gedreht.

Von Mauern und Türmen – die mittelalterliche Stadtbefestigung

 Mit Gründung des Städtchens am Fuße der Burg im Jahre 1310 begann gleichzeitig der Bau der Stadtmauer. Sie umschloss ursprünglich den ganzen Ort und verband ihn mit der Burg, welche sich oberhalb im Süden auf einem gut zu verteidigenden Bergsporn befand. Im Westen (d.h. Richtung Mosel) führte die Mauer über den Schlossberg hinab bis zum Flussufer. Um die Jahrhundertwende waren bedeutende Fragmente der westlichen Stadtbefestigung im Weinberg noch vorhanden, wie dieses Foto nachweist.
(Aufnahme etwa 1905-10)

Gasthof „Zur Burg Metternich“. 1636 wurde dieses ehemalige Burgmannenhaus (Burgmannen = Wachmannschaft der Burg) von den Karmelitermönchen bezogen und bis zur Fertigstellung des neuen Klosters auf dem Rammerberg als provisorisches Klostergebäude genutzt. 1693 ging das Gebäude vertragsgemäß an die Herrschaft derer von Metternich und wurde von ihnen als Kellnerei (Sitz der Finanzverwaltung) genutzt. Der Rundturm mit Kegeldach (ursprünglich der Süd-West-Turm der mittelalterlichen Stadtmauer ) wurde als Kerker genutzt. Hier wurde der später in Beilstein geköpfte Räuberhauptmann Dörfer zeitweise gefangengehalten. Teile der Stadtmauer, die Burg und Süd-West-Turm miteinander verbanden, sind im Weinberg noch zu erkennen. Foto ca.1930)

 

Etwa 10 Jahre zuvor entstand diese Aufnahme des Süd-West-Turmes.

Der Fotograf befand sich um 1920 auf dem Uferweg und nahm den Stadtmauerturm aus süd-westlicher Richtung auf.

Der Turm war noch nicht so stark mit Efeu bewachsen und lässt im oberen Drittel das umlaufende Rundbogenfries erkennen.

Ein Rundbogenfries war im Mittelalter eine beliebte architektonische Schmuckform und besteht aus aneinander gereihten Halbkreisbögen, deren Schenkel zumeist auf steinernen Konsolen aufliegen.

 

 

 

Das rechts am Turm angrenzende Haus war zu diesem Zeitpunkt, vor rund hundert Jahren das Wohnhaus der Beilsteiner Familie Heß.

Die in Schwarz gekleidete Großmutter dürfte auf dieser Fotografie kaum älter als 60-65 Jahre alt gewesen sein.

 

Die südliche Stadtmauer ist auf dieser Abbildung ( aufgenommen um 1930 von der Burgruine) sehr viel deutlicher zu erkennen.

Die Weinbergs- Flurbereinigung der 1960er Jahre hat sie weitestgehend zerstört.

Lediglich eines der Stadttore, hier im Weinberg gelegen, wurde im Rahmen der Flurbereinigung sogar restauriert, bzw. wieder aufgebaut.

In dieser Süd-Stadtmauer integriert befand sich auch jener Rundturm. Heute versehen mit einem Zeltdach aus der Mitte des 20. Jahrhunderts findet man ihn zwischen Bürgerhaus, Zehnthaus und rückseitiger Fassade des ersten Karmeliterklosters aus dem 17. Jahrhundert (heute Hotel „Haus Burg Metternich“. ) (Foto etwa 1920)

Turm in Südmauer von oben

Auf diesem knapp 100jährigen Foto sind ganz hervorragend die Fragmente der mittelalterlichen Stadtmauer zu erkennen, die Burg und Städtchen miteinander verband. Deutlich zu sehen: Die Südmauer, die sich burgabwärts bis zum Süd-West-Turm an der Mosel erstreckte. Nicht ganz so deutlich erkennt man Reste der östlichen Mauer, die sich quer durch das heutige Beilstein zog: Burgabwärts den Schloßberg herunter, über das Osttor, unterhalb des Rammerbergs (auf dem später das Kloster und Kirche erbaut wurden) bis zur nördlichen Stadtmauer (heute Alte Wehrstraße). Auf dem Foto gut zu sehen: Die treppenartig eng aneinander gebauten, teilweise auf der nördlichen Stadtmauer stehenden Fachwerkhäuser. Zu diesem Zeitpunkt besaß die Burgruine noch eine hochaufragende Nordfassade, die heute nicht mehr steht. (Foto aus dem Jahre 1908)