Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 15

Hollywood an der Mosel –
90 Jahre Filmstadt
Beilstein

Beilstein zieht durch seinen weitestgehend unveränderten historischen Ortskern seit 200 Jahren Künstler, Sommerfrischler und seit den 1930er Jahren immer mehr Urlauber in seinen Bann. Das mittelalterliche Gepräge macht den Ort seit nunmehr fast 90 Jahren zu einer natürlichen und daher gefragten Filmkulisse.

Filme, die eine historische Kulisse benötigten, wie der Film Schinderhannes oder die BBC Produktion Vanity Fair fanden hier ideale Bedingungen vor. Zahlreiche historische Häuser, ja ganze Häuserzeilen in alter Erscheinung benötigten wenig bis gar keine Veränderungen am Filmset.

Der erste bedeutende Film, dem Beilstein zu 90% als Ortskulisse diente war der 1936 gedrehte Spielfilm Wenn wir alle Engel wären mit Heinz Rühmann und Leni Marenbach.

Ein Lustspiel, welches dem seichten und vermeintlich unpolitischen Geschmack der Göbbel´schen Propaganda während der NS-Zeit nachkam.

Diese Werbung einer NSDAP Ortsgruppe zeigt, welch große Bedeutung die NSDAP bzw. der NS-Staat seiner Filmproduktion beimaß.

Auch der zweite Film, der während des Faschismus 1938 von der Filmgesellschaft Ufa hier gedreht wurde kam den Wünschen der Kinobesucher, aber auch des Reichspropagandaministeriums nach.

Im Film Das Verlegenheitskind sorgten die Schauspieler Ida Wüst und Paul Klinger im Genre des leichten Heimatfilmes für die erwünschte Ablenkung und Zerstreuung.

 

 

Diese Aufnahme vom Sommer 1938 zeigt das damalige Filmteam aus dem Spielfilm „Das Verlegenheitskind“ nach Drehschluß bei einem Umtrunk im Hof des Weinlokales Bauer.

Am rechten Bildrand ist ein Beilsteiner SA- Mann in seiner Uniform zu sehen.

 Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges wurde 1943/44 zwischen Koblenz und Trier, somit auch teilweise in Beilstein die seichte Liebeskomödie – Moselfahrt mit Monika – gedreht. Das Filmplakat zeigt die
damalige Hauptdarstellerin Eva Maria Meineke vor der Kulisse des Beilsteiner Moselufers.

Die 1950er Jahre waren für Beilstein als Filmkulisse das erfolgreichste Jahrzehnt. Die westdeutsche Filmproduktion konnte nahtlos und nahezu unverändert an den Publikumsgeschmack der Zuschauer aus der Vorkriegszeit anknüpfen.
In rascher Folge wurden einige Heimat- und Liebesfilme in gewollt romantisch verklärender Landschaft gedreht. Hier konnte Beilstein einiges bieten. So wurde 1952 Der fröhliche Weinberg u.a. mit Gustav Knuth, Paul Henckels, Camilla Spira und Willy Millowitsch produziert.

 

Schon im darauffolgenden Jahr 1953, kam es zum Spielfilm Moselfahrt aus Liebeskummer mit Will Quadflieg und dem seinerzeitigen Kinderstar Oliver Grimm.

 

Der Stoff Wenn wir alle Engel wären wurde 1956 ein zweites Mal in Beilstein abgedreht, dieses Mal in  Farbe mit Dieter Borsche und Dr. Marianne Koch.

Szene am Filmset mit Regisseur Günter Lüders und Hauptdarsteller Dieter Borsche

Schauspieler Gustav Knuth und Schaulustige auf dem Marktplatz

Hotelinhaber Wolf Lipmann mit seinem Hund vor dem Hotel Lipmann, dahinter Schaulustige am Filmset

 

1958 wurde schließlich der sehr erfolgreiche Film Der Schinderhannes  mit Curd Jürgens und Maria Schell in den Hauptrollen zu großen Teilen vor Beilsteiner Landschaft und Häusern produziert.

   Der letzte Film aus dem beliebten Nachkriegsgenre der Heimatfilme war schlussendlich der 1960 gefertigte Streifen Der wahre Jakob mit Willy Millowitsch.

Willy Millowitsch´s Ankunft in Beilstein am ersten Drehtag. Während der Filmaufnahmen wohnte der bekannte Volksschauspieler im Hotel Gute Quelle auf dem Marktplatz.

Fast 40 Jahre diente Beilstein dann keiner Spielfilmproduktion mehr als Filmkulisse. Das hatte auch mit dem Niedergang des westdeutschen Films in den 1960er bis 1980er Jahren zu tun. Heimelige und rührseelige Heimatfilme kamen aus der Mode. Erst im Jahre 1998 suchte das britische Fernsehen für die Verfilmung des Romans Vanity Fair (dt. Jahrmarkt der Eitelkeiten) ein typisch deutsches Dorf aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Die Wahl fiel auf Beilstein. Mehr als eine Woche war die BBC mit englischen Schauspielern (u.a. Frances Grey) aber auch einem Hollywood Kinderstar in Beilstein beschäftigt. Über dreißig Beilsteiner Einwohner wirkten als Komparsen am Film mit. Die beiden Fotos wurden während der Dreharbeiten am 18. Mai 1998 erstellt und zeigen unter anderem mich selbst in der Kleidung eines begüterten englischen Gentleman um das Jahr 1830.

Beilsteiner Komparsen Darsteller während der Dreharbeiten im Frühjahr 1998

Neben den zahlreichen Filmen wurden in den letzten vierzig Jahren in Beilstein bzw. über Beilstein immer wieder Fernsehbeiträge produziert.

Meist war der SWR hier federführend, aber auch der WDR mit beispielsweise der Sendereihe wunderschön.

Die Aufnahme zeigt mich mit der Moderatorin Tamina Kallert während der Aufnahmen für eine Folge von wunderschön im Jahre 2020.

Vom alten Friedhof und schönster Moselterrasse
– ein Karner (Beinhaus) in Beilstein?

Ich habe nun zahlreiche Gebäude, Straßen, Gässchen und Geschichten in Beilstein beschrieben und vorgestellt, die man nach Befund und sicheren historischen Quellen beweisen kann, ja die teilweise heute noch unverändert zu bestaunen sind.

Schwierig wird es für den Historiker/ Kunsthistoriker Gebäude und Örtlichkeiten vorzustellen, die es heute so nicht mehr gibt und die auch in keiner historischen Quelle erwähnt werden. Hier ist man auf „dünnem Eis“ und selbst bei noch so guter Argumentation und Beweisführung bleibt ein Quentchen Unsicherheit ob der Richtigkeit seiner Theorie. Das will ich im Folgenden trotzdem wagen und mich der Idee zuwenden, dass Beilstein im ausgehenden Mittelalter ein Beinhaus (im speziellen Fall einen zweizonigen Karner besaß. Zur Stadtgründung und dem Bau der Beilsteiner Pfarrkirche auf dem Marktplatz im Jahre 1310 habe ich ja bereits Einiges berichtet. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass gleichzeitig mit dem Bau der Pfarrkirche auf ihrer westlichen Seite (zur Mosel hin) der Kirchhof für die Verstorbenen angelegt wurde. Das tektonisch an dieser Stelle zum Moselufer abfallende Gelände wurde auf drei Seiten von starken Bruchsteinmauern eingefriedet. Das Innere hat man mit Erdreich aufgefüllt, etwa in Höhe des Marktplatzes. Die Einfriedung erhielt in der süd-westlichen und der nord-westlichen Ecke je eine Eckwarte in Form eines Rundturmes zur Mosel hin. Diese beiden Rundtürme, im Kern bis heute noch erhalten, besaßen einen völlig unterschiedlichen Querschnitt, was das ganze Ensemble recht asymetrisch und disproportional erscheinen lässt. 

Das Süd-West-Türmchen besitzt einen inneren Querschnitt von 1,95 Metern bei einer Mauerstärke von 40 cm. Der Nord-West-Turm hingegen besitzt im oberen Geschoss einen inneren Querschnitt von 3,20 Metern bei einer Mauerstärke von 60 cm. Das Untergeschoss mit seinen 1,30 Meter dicken Außenmauern besitzt einen inneren Querschnitt von gerade mal 1,80 Metern. Auch die äußere Gestaltung differiert stark. Ein Bogenfries (im Mittelalter ein beliebtes Architektur-Dekorationselement), dessen Schenkel auf Konsolen aus Basaltstein ruhen umläuft beide Rundtürme. Beim kleineren Turm verläuft es heute etwa 1,10 über dem Bodenniveau, beim größeren Turm etwa 2,10 über dem aktuellen Bodenniveau. Beide Türme unterscheiden sich somit stark in Umfang, Höhe und baulicher Gestaltung. Das macht eine unterschiedliche Nutzung bzw. Funktion hochwahrscheinlich.

Soweit zum heutigen Befund der Lipmann´schen Terrasse (des ehemaligen christlichen Friedhofes). Wie komme ich nun zu der Überlegung, dass es sich beim größeren, dem Nord-West-Turm um einen spätmittelalterlichen Karner handelt?

Holzschnitt Das Beinhaus nach Motiven von Hans Holbein 1538

Vom 11. bis in das 14. Jahrhundert kam es vermehrt zu Stadtgründungen. Die mittelalterliche Stadt mit ihrer begrenzten Fläche innerhalb der Stadtmauern stieß in vielerlei Hinsicht buchstäblich an ihre Grenzen. Dies betraf im besonderen Maße die Kirchhöfe, eine räumliche Ausdehnung mitunter auch die geglaubte begrenzte Ausstrahlung der Kirchenreliquien ließ eine Erweiterung der Friedhofsfläche kaum zu. Das ist beispielsweise für den Beilsteiner Kirchhof recht gut nachzuvollziehen. Vielfach mussten Gräber aus Platzgründen schon nach fünf bis zehn Jahren für eine neue Grablegung geräumt werden. Ein Zeitraum, in dem größere Knochen wie Oberschenkel und Schädel noch nicht vergangen waren. Diese wurden dann entnommen, gesäubert und in sogenannten Beinhäusern oder Karnern verbracht. Karner befanden sich in der Regel in unmittelbarer Nähe von Kirchen bzw. Friedhöfen. Hier kam es zu recht unterschiedlichen architektonischen Lösungen. Im Ort Alken an der Mosel (25 Kilometer entfernt von Beilstein) befindet sich auch heute noch ein Beinhaus unterhalb des Kirchenschiffes. 

Beinhaus in der alten Michaelkirche in Alken/ Mosel

Beispiel: Pfarrkirche Hardegg/ Niederösterreich, romanischer Karner erbaut: 1150-60

 

In Süddeutschland und dem östlichen Alpenraum wurden die Karner zumeist als doppelgeschossige Rundbauten errichtet.

In das Untergeschoss (oft unterhalb des Bodenniveaus) wurden die Gebeine verbracht. Das darüber liegenden Obergeschoss diente als liturgischer Raum zur Andacht und Fürbitte für die Verstorbenen.

Auch die runde Form eines Karners war beabsichtigt. Im Idealfall besitzt auch ein eingefriedeter Kirchhof eine Kreisform.

 

Neben den funktionalen Erfordernissen sollte der Karner den versammelten Toten Schutz vor vermeintlichen Dämonen bieten und gleichzeitig die Welt der Lebenden von der der Toten abgrenzen.

Hier stand im Mittelalter die Kreisform als Symbol für das Unüberwindliche und Undurchdringliche.

Beispiel: Wallfahrtskirche Pottenstein/ Niederösterreich, romanischer Karner erbaut: Endes des 12. Jahrhunderts

Gehen wir von diesen Voraussetzungen aus und betrachten nunmehr die beiden flankierenden Rundtürme der Lipmann`schen Terrasse auf dieser Aufnahme von etwa 1910. Die unterschiedliche Ausformung der beiden Türme wird deutlich. Der Nord-West-Turm besitzt in der Höhe des Straßenniveaus einen Eingang, der einige Jahre zuvor in die Mauer eingebrochen wurde. Durch die Errichtung der Moselstraße und der Aufschüttung des Geländes an dieser Stelle in den 1890er Jahren dürften etwa zwei Meter des Turmes unter das Bodenniveau geraten sein.

Das Obergeschoss besteht auf der Aufnahme von 1910 noch und wird spärlich belichtet durch einige Fenster mit gotischen Maßwerk; an der Oberkante jeweils abgeschlossen durch einen Kleeblattbogen. Es dürfte sich um hellen Sandstein gehandelt haben. Der Mauerverband mit seinen vertikal, segmentbogenartig über den Fenstern vermauerten Bruchsteinen macht einen nachträglichen Einbruch der Fensteröffnungen an dieser Stelle auch sehr unwahrscheinlich. Die Oberkante des Turmes wird bewehrt durch einen umlaufenden Zinnenkranz. Ob dieser wirklich zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Beilstein fortifikatorische Funktion hatte (also zur Abwehr von Feinden diente) oder später in historisierender Manier aufgesetzt wurde, lässt sich heute kaum noch sagen. Kurz nach 1910 ist das Obergeschoss abgerissen worden (etwa in Höhe der Fensterunterkante), um einem offenen Rondell für die Gäste der Lipmann´schen Terrasse Platz zu machen.

Berücksichtigt man die unter das Bodenniveau geratenen ca. zwei Meter des Untergeschosses und das um 1910 abgetragene Obergeschoss (wohl die Kapelle in Bodenniveau des Kirchhofes) kommt man auf eine angenommene Gesamthöhe von etwa sieben bis acht Metern. Der Turm hat somit vom beginnenden 14. Jahrhundert bis zum Bau der Moselstraße (um 1890) und der Abtragung des Obergeschosses (um 1910) den Kirchen- und Sepulkralbereich in Beilstein architektonisch dominiert. Ab etwa 1790 beerdigten die Beilsteiner ihre (christlichen) Verstorbenen auf dem neuen Friedhof nördlich der Klosterkirche. Der alte Friedhof am Moselufer und der Nord-West-Turm dürften in den folgenden Jahren ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben. 1794 erwarb die Familie Lipmann das nahegelegene Haus (ehemalige Metternich´sche Kellnerei) und später offensichtlich auch das Grundstück des vormaligen Kirchhofes. 1875 errichtete Daniel Lipmann hier den sogenannten Rittersaal und die weitläufige Moselterrasse mit angrenzendem Nord-West-Turm. Das heute auf der Ebene der Terrasse bestehende Rondell ist wohl der beliebteste gastronomische Ort Beilsteins, um sich im Kreise von Freunden oder der Familie kulinarisch verwöhnen zu lassen. Die Knöchelchen, die dann öfter am Rande eines Tellers aufgestapelt werden sind nicht die ersten Knochen, die in diesem Gebäude aufeinander gelegt wurden.