Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 12
Von der alten Jugendherberge auf dem Marktplatz
Beilstein war schon vor dem 1. Weltkrieg das Ziel von Schulklassen, Jugend- und Wandergruppen.
Also Personen, die nur kleines Geld für Übernachtung und Verpflegung zahlen konnten.
Diese seltene Aufnahme zeigt eine Gruppe von Pfadfindern im Sommer 1914 unterhalb der hohen Klostermauern, die den Beilsteiner Klostergarten umgaben.
Das „Kölzer-Haus“ mit dem dreistöckigen Speicher von der Ley (Schloßstraße) aus gesehen
Die Gemeinde hatte 1926 die Idee für Kinder und Jugendliche den riesigen Speicher über dem Weinkeller des Winzers Kölzer in der Bachstraße anzumieten.
Dieser geräumige Speicher bot auf drei Ebenen einige hundert Quadratmeter Raum für die Herrichtung einer einfachen und kargen Unterkunft.
Die Besucher waren gehalten auf einfachen Strohmatratzen zu nächtigen. Eine einzige Toilette und ein einfacher Wasserkran mussten reichen.
Fließendes Wasser war erst 1925, im Jahr zuvor, in die Beilsteiner Häuser verlegt worden.
Das Foto zeigt die mittlere und größte Speicherebene.
Der Beilsteiner Winzer Ludwig Sausen nahm sich der Aufgabe an und wurde in den anschließenden drei Jahren eine Art Herbergsvater in diesem improvisierten Speicher.
Die Versorgung mit Wasser, Strom, Heizung und sanitäre Probleme erforderten aber rasch eine andere Lösung.
Durch diese zweiflüglige Eichentüre (zweite Hälfte 19. Jhdt.) konnte der Speicher von den Gästen betreten werden.
Die Türe befand sich auf der Rückseite des Gebäudes, der sogenannten Ley (heute Schloßstraße).
Solche geteilten Türen gab es an der Mosel in vielen Wirtschaftsgebäuden.
Für das Betreten einer Person langte ein schmales Türsegment.
Für das Einbringen von Heu, Weinfässern, Gerätschaften etc. öffnete man beide Türflächen.
1928 erwarb der Deutsche Jugendherbergs Verband ein größeres Haus auf dem Marktplatz.
Das Gebäude, im 18. Jahrhundert errichtet, gehörte bis etwa 1900 einer jüdischen Familie im Ort.
Der kleine Raum im Dachboden (rote Markierung) wurde von der jüdischen Familie während des einwöchigen Sukkotfestes im Herbst genutzt.
Die Dachfläche konnte hierzu auf zwei Seiten, dem religiösen Ritus entsprechend, aufgeklappt werden.
Der Herbergsverband baute das Haus um und konnte 1929 die Beilsteiner Jugendherberge eröffnen.
Die wachsende Anzahl von Besuchern erforderte allerdings rasch einige Erweiterungsbauten.
Diese Aufnahme einer Mädchenschulklasse mit ihren Lehrerinnen entstand 1929/30
Eine alte, knorrige Weinrebe am gusseisernen Stützpfeiler ließ zu Beginn der 1930er Jahre mitunter die Terrasse komplett hinter Weinblättern verschwinden.
Zu Beginn der dreißiger Jahre wurde diese Außenterrasse aufgestockt und man schuf hierdurch einen großen Waschraum und zusätzliche Schlafplätze in der Dachschräge über dem Waschraum.
Ludwig Sausen und seine Ehefrau blieben bis 1960 die Herbergseltern.
Dieses Foto zeigt den kleinsten, nutzbaren Schlafraum der Jugendherberge, bis etwa 1900 von den Vorbesitzern genutzt für das Zelebrieren des jüdischen Laubhüttenfestes/ Sukkotfestes.
Die Herberge bot zeitweise mehr als 60 Kindern, Jugendlichen und ihren Begleitpersonen Unterkunft.
Im Reichsherbergsverzeichnis des Reichsverbandes für Deutsche Jugendherbergen E.V. von 1939 fand ich diese Kurzbeschreibung. Die Beilsteiner Jugendherberge wurde hier wie folgt klassifiziert bzw. beschrieben: Für Bootsfahrer günstig gelegen (Bofa), vom nächsten Bahnhof Kochem 9 Kilometer entfernt, Flussbad möglich (Fbd). Entfernung zum nächsten Spielplatz 30 Minuten (Spl). Es bestehen 50 Betten mit Decken (BmD) und weitere 20 Notlager mit Decken (NlmD). Ein heizbarer Tagesraum (Tr) und Kochgelegenheit (Kochg) zum Selbstabkochen stehen zur Verfügung. Verpflegung wird angeboten (Vpfl) Für weitere 66 Personen steht ein Lager zur Verfügung (damit war höchstwahrscheinlich der Dachboden /Speicher gemeint). Der Herbergswart (Hw) war Ludwig Sausen.
Anfang der 1960er Jahre stiegen die Anforderungen an bauliche Gegebenheiten und sanitäre Vorrichtungen auch in den Jugendherbergen. Das Jugendherbergswerk versäumte es in seiner Beilsteiner Herberge über etliche Jahre Umbauten und Instandhaltungsarbeiten im Gebäude durchzuführen. Fast zwangsläufig kam es dann zum Beschluss des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des DJH die Beilsteiner Jugendherberge zum 1. April 1963 für immer zu schließen. Die Beilsteiner mögen es mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis genommen haben. Haben die Kinder und Jugendlichen doch Leben in den Ort gebracht und insbesondere in den Abendstunden für eine gewisse Geräuschkulisse auf dem Marktplatz gesorgt. Der intensive Ausbau des Hotel- und Gaststättengewerbes zu Beginn der 60er Jahre im Ortskern war mit dem Bestehen einer Jugendherberge in demselben nur schwer in Einklang zu bringen.
Nicht selten werden heute bei älteren Beilsteinbesuchern im Angesicht der ehemaligen Jugendherberge ein paar „Tränchen der Erinnerung und Rührung“ verdrückt – so hat das Gebäude offensichtlich in fast 35 Jahren viele schöne Erinnerungen geprägt.
Zeitungsbericht zur Schließung der Jugendherberge 1963