Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 5

Von „Auf der Ley“ zur Schlossstraße

Vom Marktplatz aus zieht sich zwischen Zehnthaus und Jugendherberge ein kleines Gäßchen Richtung Burg hoch, die Schlossstraße.

Auf der rechten Seite – das wahrscheinlich älteste Beilsteiner Haus.

Das Gebäude diente wohl den Wachmannschaften der Burg und der Stadtmauer als Kommandantur.

Von besonderem Interesse: Die östliche Stadtmauer diente der Kommandantur zum Teil als Giebelwand, was bauhistorisch ein identisches Baujahr als wahrscheinlich gelten lässt.

Reste der Stadtmauer ragen auf diesem Foto ( von etwa 1930) noch über das Dach hinaus.

 

Das war von der gegenüberliegenden Seite noch sehr viel besser nachzuvollziehen.

In den Fragmenten der spätmittelalterlichen Stadtmauer konnte man sogar noch den Ansatz eines Rundbogens erkennen.

Große Teile des Gäßchens waren nicht gepflastert, sondern man ging über den blanken Schieferfels.

So waren auch die Eingangsstufen für dieses Gebäude in den gewachsenen Fels hineingeschlagen und durch den Jahrhunderte währenden Gebrauch abgerundet und ausgetreten.

 

Dem Gäßchen einige Meter bergaufwärts folgend bot sich dem Betrachter in den 1920er Jahren noch dieser Blick auf den Südflügel des ehemaligen Klosters.

Das alte Fachwerkhaus am rechten Bildrand war bis 1919 im Besitz einer jüdischen Familie, die dort eine Schlachterei betrieb.

Im gleichen Jahr erwarb der letzte Beilsteiner Moselfischer, genannt Fischer „Jäb“ die Immobilie.

Einige Jahrzehnte später wurde dem Gebäude ein Erweiterungsbau angefügt, der die Lücke in der linksseitigen Bebauung der Ley geschlossen hat.

Seitdem ist der Ausblick von diesem Punkt der Schlossstraße ausgehend auf das Kloster unwiederbringlich verschwunden.

Die Häuser auf der linken Seite waren zumeist eingeschossig und traufseitig zur Schlossstraße hin mit einem Satteldach versehen. Auf der gegenüberliegenden Seite, also zum Bachtal abfallend ( zur Bachstraße hin) hatten die Gebäude hingegen bis zu vier Geschosse.

Dieses Foto ( um 1950 aufgenommen) zeigt die verwendeten Baumaterialien: Schieferbruchstein und Schiefereindeckung. Ein Material, welches die Beilsteiner in den ortseigenen Steinbrüchen abbauen konnten.Auch das Holz für den Dachstuhl und die Dachgauben schlug man in den naheliegenden Wäldern der Hunsrückhöhen. Die Gebäude dürften mit der östlichen Stadterweiterung Beilsteins über die Stadtmauer hinaus in das beginnende 18. Jahrhundert zu datieren sein.

Einige Bauten in dieser Häuserreihe zwischen Schlossstraße und der darunter verlaufenden Bachstraße sind auf tonnengewölbte Bruchsteinkeller aufgesetzt worden, die noch weit älteren Datums sind und den Burgherren ab dem 14. Jahrhundert als Wein- und Vorratskeller dienten. Das führt in heutiger Zeit mitunter zu der leicht verrückten Situation, dass einige Häuser hier auf verschiedenen Geschossen völlig unterschiedlichen Besitzern gehören.

Wir schlendern einige Meter weiter.

Das Sträßchen besitzt noch keine durchgehende Pflasterung.

An einigen Stellen lief man über den blanken Schieferfels, an anderen Stellen über losen Schutt.

Der Bereich auf diesem Foto (Aufnahme um 1950) ist zum Teil mit Moselkiesel belegt.

Ein billiger Baustoff, der in der Mosel preiswert und leicht abzubauen war, aber kaum zu einer stabilen und glatten Straßenoberfläche führte.

Der Moselkiesel oder auch Moselgerölle genannt war leicht am Ufer zu finden.

Dieses Foto (vor dem Bau der Staustufen 1964 aufgenommen) bildet eine Uferpartie auf der Beilstein gegenüberliegenden Flussseite ab. Man nahm vorzugsweise große flache Steine, je nach Beschaffenheit halbierte man die Steine auch und verlegte sie dann mit der flachen Innenseite nach oben. Vom ausgehenden Mittelalter bis in das beginnende 20. Jahrhundert dürfte diese Pflasterung in Beilstein die gebräuchlichste Straßenbefestigung gewesen sein.

An einer einzigen Stelle in Beilstein hat man wohl „vergessen“ diese alte Pflasterung mit Moselkiesel zu erneuern: An der Westfassade der alten Pfarrkirche (heute Bürgerhaus) existiert heute noch vor dem zugemauerten ehemaligen Eingangsportal ein schmaler Streifen (ca. 200 X 50 cm) gepflastert mit Moselkieselsteinen.

Regenwasser und teilweise auch Abwässer wurden auf der Schlossstraße über die vertiefte Rinne in der Mitte der Gasse auf den Marktplatz abgeführt.

Eine Schmutzwasserkanalisation gab es vor 70 Jahren in Beilstein noch nicht.

In dieser Hinsicht kam die Zivilisation erst im Jahre 1960 nach Beilstein. Die „Donnerbalken“, Gülle- und Misthaufen – vor nahezu jedem Haus damals vorzufinden – gehörten ab da endlich der Vergangenheit an.

Fast sind wir am Ende der Schlossstraße angekommen.

Der Bretterverschlag in der Ecke diente der trockenen Lagerung von Brennholz. Im vorderen Bereich besteht der Straßenbelag aus festgetretenem Schutt, im hinteren Bereich lief man auf dem blanken Schieferfelsen.

Wir schreiten noch wenige Meter voran. An der rechten Straßenseite befindet sich diese offene Wegekapelle.

Die beiden Damen, die hier vor mehr als hundert Jahren dem Fotografen Modell standen, tragen unzweifelhaft ihre Sonntagskleidung.

Das Gesangbuch in der Hand weist auf den Gottesdienstbesuch hin – der Schattenwurf auf die ungefähre Uhrzeit (etwa 9.00 bis 10.00 Uhr morgens).

Sowohl die „Ley“, als auch der sich im Hintergrund hochziehende Weg ( heute Straße Im Mühlental) sind noch nicht gepflastert und staubig.

Die blank pollierten Sonntagsschuhe dürften somit nach dem Kirchgang einer gewissen Überholung bedürft haben.

 

Wir sind am Ende der Schlossstraße angekommen.

Hier trifft sie im spitzen Winkel auf die Bachstrasse.

An dieser Stelle gab es eine Wasserentnahmestelle, wo sich die Beilsteiner mit frischem Quellwasser versorgen konnten.

 

 

An dieser Stelle ein nahezu identisches Bild-   motiv mit einer leicht veränderten Perspektive, welche die rechts angrenzende alte Brücke über den (einige Jahre zuvor unter das Straßenniveau verlegten) Vorderbach abbildet.
(Aufnahmedatum 1914)

Von hier aus bewegen wir uns nun wieder in die entgegengesetzte Richtung, also zurück zum Marktplatz.

 

Wir gehen einige Schritte weiter und auch in der Zeit einige
Jahre voran. 

Die Bachstraße ist nun gepflastert, der Bach verläuft unterirdisch in einer Betonröhre.

Die links abzweigende Schlossstraße hat noch kein Straßenpflaster.

An dieser Wegegabelung (giebelseitig vor dem Haus, wo sich heute ein Souvenier- und Geschenkeladen befindet) hat es lange Zeit eine von zwei öffentlichen Wasserentnahmestellen für die Beilsteiner gegeben.

Die andere Entnahmestelle befand sich auf dem Marktplatz.

Das steinerne Basaltbecken findet sich heute noch vor dem Bürgerhaus.

Diese Fotografie (Ende der 1920er Jahre aufgenommen) zeigt die damaligen Bewohner vor ihrem Haus. Die Wasserquelle wurde durch einen rundbogigen Mauerabschluss bekrönt und dient hier der Gruppe als Sitzgelegenheit. Zwischen diesem Mauerabschluss und dem dahinterliegenden Gebäude führten Treppenstufen zur Wasserentnahmestelle hinunter. Der Straßenbelag besteht hier im vorderen Bereich aus losem Schutt, wenige Meter weiter aus dem blanken Schieferfels.

Die Beschaffenheit der Schlossstraße ist auf dieser Abbildung (Aufnahme: Anfang der 1950er Jahre) noch ein wenig deutlicher nachvollziehbar.

Die drei Männer laufen über den gewachsenen Schieferfels (auch Ley genannt). Nur in der Mitte liegen drei Reihen Pflastersteine, erklärbar mit der Verlegung der privaten Wasserleitung des Geheimen Oberbaurates Höffgen um das Jahr 1900).

Die Schlossstraße wird von den Beilsteinern seit Jahrhunderten als Ley bezeichnet.

Das Wort Ley ist eine alte Bezeichnung für Fels oder Klippe.

Es wird zumeist im rheinischen oder niederdeutschen Sprachraum für Fels benutzt. Möglicherweise leitet sich der Begriff vom gallischen (keltischen) Wort lika/ likka mit der Bedeutung Steinplatte ab. Auf der Ley laufen wird heute noch von den Beilsteinern umgangssprachlich benutzt um das Begehen der Schlossstraße zu bezeichnen. Das Foto erklärt diesen Umstand recht bildhaft.

Wir sind die Schlossstraße bzw. die Ley nun wieder Richtung
Marktplatz zurück gegangen.    

Zur Linken die Fragmente eines gemauerten Rundbogens, wohl einmal Teil der östlichen Stadtmauer (heute abgerissen und neu bebaut).

Dahinter liegend die alte Kommandantur, eine These die Sinn macht: Hat doch an dieser Stelle die östliche Stadtmauer Burg und Städtchen miteinander verbunden.

Zwischen der Kommandantur und dem Treppenturm des Zehnthauses befand sich ein weiteres Stadttor, das Südtor.

Auf der rechten Seite steht ein Gebäude, von dem heute nur noch die Außenfassade und ein Notdach erhalten ist.

(Foto etwa 1890)

Besagter Rundbogen ist auf diesem Foto noch besser zu erkennen (Bildmitte unten).

Das Foto zeigt uns in der linken Bildhälfte ein bedeutendes Fragment der östlichen Stadtbefestigung, gesehen von der stadtauswärtigen Seite.

Die Mauer wurde beim Bau eines neuen Hauses an dieser Stelle in den 1970er Jahren teilweise abgetragen bzw. als Zwischenwand in den Neubau integriert.

Seither gibt es von der östlichen Mittelalter-Stadtmauer keine sichtbaren Teile mehr in Beilstein.

Unsere Exkursion über die Schlossstraße bzw. die Ley ist wieder am Ausgangspunkt dem Marktplatz angelangt. 

Der Höhenunterschied zwischen Marktplatz und Schlossstraße wurde in den letzten 150 Jahren auf unterschiedliche Weise bewerkstelligt.

Heute sind es rund ein Dutzend Treppenstufen aus Basaltstein mit einem eisernen Treppengeländer, die es den Touristen und Einheimischen leicht machen.

Diese Aufnahme (etwa 1865-70) zeigt, dass man über den blanken Schieferfels und gelegten Moselkiesel den Höhenunterschied seinerzeit überwinden mußte.

Diese Aufnahme (etwa 1865-70) zeigt, dass man über den blanken Schieferfels und gelegten Moselkiesel den Höhenunterschied seinerzeit überwinden mußte.

Nach und nach wurden Treppenstufen eingebaut. Das folgende Foto ( aus den 1950er Jahren) zeigt einen Zwischenabschnitt. Es gibt bereits einige stabile Stufen vom Markt, den restlichen Bereich mußte man aber noch über loses Geröll und unregelmäßige Pflasterung mit Moselkiesel überwinden.  Von diesem Felspodest aus führt nach rechts ein schmaler Pfad in die südlich des Ortes gelegenen Weinbergslagen.

Das Bild zeigt uns diesen ungepflasterten Weinbergspfad Richtung Marktplatz führend.

Zur Linken liegt das Zehnthaus mit seinem polygonalen Treppenturm und geschweiftem Schieferdach.
(Aufnahme 1934)

Vom Geheimen Oberbaurat und seinen merkwürdigen Bauten

Das größte und stattlichste Haus Beilsteins: Der mutmaßliche Erbauer Conrad Weber, zunächst Kaufmann und Müller, konnte sich mit dem Bau dieses imposanten, barocken Bürgerhauses im Jahre 1714 durchaus von den übrigen Bewohnern Beilsteins abheben.

Auch wenn die Franzosenheere 1689 den Wohnwert der Beilsteiner Burg für die Herrschaft derer von Metternich stark minderten (die Burg wurde geplündert und angezündet und ist seither eine Ruine), so wurden die feudalen Ausbeuterstrukturen für die Winzer und Bauern doch nicht aufgehoben.

Die Metternichs zogen sich nach Koblenz zurück und überließen die Verwaltung ihrer Beilsteiner Herrschaft (mit zahlreichen Dörfern und Liegenschaften auf dem Hunsrück) sogenannten Kellerern (das waren eingesetzte Finanzverwalter). Conrad Weber wurde ein solcher Kellerer.

Die Ausmaße seines neuen Hauses zeigen wie einträglich seine Aufgabe wohl gewesen sein muß.

Während der napoleonischen Zeit, um 1800 gerät die Immobilie an einen Albert Joseph Welches (1753-1819). Er muss in Beilstein ganz offensichtlich ein bedeutender Mann gewesen sein – befindet sich sein beeindruckendes steinernes Grabkreuz auch heute noch, nach gut 200 Jahren an der Nordseite der Klosterkirche. 1832 wird in einem Beilsteiner Einwohnerverzeichnis sein Sohn Peter Joseph Welches als Besitzer des Anwesens bezeichnet. Dessen Schwester Anna Juliana Welches (geboren 11.1.1789) heiratet um das Jahr 1810 einen Franz Josef Ignaz Canaris (geboren 31.7.1791) aus Münstermaifeld. Der jüngste Sohn aus dieser Verbindung Johann Joseph Canaris (1817-1894) wird schließlich zum Großvater des wohl berümtesten Sprosses aus dieser Familie: Admiral Wilhelm Canaris (1887-1945), Chef der Deutschen Abwehr (Auslandsgeheimdienst der Wehrmacht).

 

Kurz nach 1884 gelangt das Haus in den Besitz des Geheimen Oberbaurates Carl Höffgen (1843-1915), einem Ingenieur und Baurat, der 1884 zum Leiter des Wasserbauamtes in Cochem ernannt wird.

Er investierte nicht nur in das Innere des Hauses, sondern schuf sich nördlich der Alten Wehrstraße eine parkähnliche Gartenanlage, die an der Mosel ihresgleichen sucht.

 

Auf diesem Foto von 1908 ist eine antikisierende Säulenreihe im Vordergrund zu erkennen, ferner ein schmiedeeisern umkrenzter Sitzplatz mit Überdachung und ein Springbrunnen, der aus einer Quelle im „Silberberg“ permanent mit Wasser gespeist wurde.

Der Geheime Oberbaurat erstellte sich auch einen Sommerpavillion mit barockem Glockendach, der zur Moselseite eine Freiterrasse besaß.

 

Auf der Rückseite dieses Pavillions wurde zum allseitigen Erstaunen der Beilsteiner kurz nach 1900 eine Freiluftkegelbahn mitten in den besten Weinberg Beilsteins, den Silberberg hinein gebaut.

Dieses Projekt dürfte bei den Beilsteinern einiges an gewissem Unverständnis bzw. Kopfschütteln provoziert haben – war der Silberberg bis dato doch die beste und sonnigste Weinlage im Ort. Ausgerechnet hier einen weitläufigen Park und eine Kegelbahn zu errichten, war schon eine leicht verrückte Sache.

Die von Carl Höffgen errichte Parkanlage war großzügig im Geschmack und Stil des Deutschen Historismus zum Ende des 19. Jahrhunderts angelegt und diente ihrem Besitzer als Statussymbol im und über das Moseltal hinaus.

 

Auch mit der Anpflanzung seltener Laubbäume in seinem Park schuf er sich eine Besonderheit im hiesigen Raum.

Hier gab er sich auch nicht mit winzigen Setzlingen zufrieden, sondern ließ sich junge Bäume in schon beachtlicher Höhe in großen Holzbottichen anliefern, wie das folgende Bild aus den 1880ern beweist.

Rund 60 Jahre später waren aus diesen Jungbäumen riesige Exemplare geworden, wie das Foto aus den 1950er Jahren verdeutlicht.
Nach über 130 Jahren ist von den prächtigen Bäumen heute nur noch ein einziger übrig geblieben.

 

Das Anwesen des Ehepaares Höffgen war in Beilstein um
die Jahrhundertwende so herausragend und bedeutend für das Ortsbild, dass es sogar ein eigenes Postkartenmotiv vom Wohnhaus Höffgen gab. Die Abbildung gibt eine Ansichtskarte wieder, die im Mai 1907 versendet wurde.

Ehepaar Carl und Johanna Höffgen / Aufnahmedatum 1898

Carl Höffgen starb 1915, seine Ehefrau Anna Margaretha Johanna Höffgen, geb. Goeres (1853-1913) war bereits zwei Jahre zuvor verschieden.

Das Foto zeigt Johanna Goeres als 21jährige junge Frau am 8. März 1874.

 

 

Das Erbe fiel an die Schwester von Johanna Höffgen, Elisabeth Eckertz, geb. Goeres (1857-1942). Sie befindet sich hier im Sommer 1934 auf dem Balkon des Hauses.

Hanna Eckertz / Aufnahme etwa 1905
 

Nach dem Tod Elisabeth Eckertz wurde 1942 ihre Tochter Johanna Eckertz (1888-1966) Alleinerbin des Besitzes.

Über nahezu einhundert Jahre wurde das Gebäude von den Beilsteinern als das „Eckertzhaus“ betitelt.

Für die Erben verlor der einst herrschaftlich angelegte Garten über viele Jahrzehnte seine Bedeutung und wurde zeitweise von der Natur zurückerobert.

Noch heute sprudelt aus dem alten Springbrunnen eine schwache Wassersäule, fast so als wären die letzten hundert Jahre nicht gewesen.

 

Gertrud Kochems (1894-1971):
2. Person von rechts, Foto etwa 1915

Johanna Eckertz hinterließ mit ihrem Tod 1966 in Beilstein ein kleines Imperium. Neben dem herrschaftlichen Anwesen am Fuße der Klostertreppe, ausgestattet mit zahlreichen kostbaren Möbeln, Bildern, kunstgewerblichen Gegenständen aus dem 19. Jahrhundert, gehörten zum Eckertz´schen Erbe zahlreiche Immobilien im Ort. Etliche Häuser, Weinberge, Grundstücke, Gärten, der Sommerpavillion, die Kegelbahn – all das suchte im Jahre 1966 einen Erben. Mangels geeigneter Verwandtschaft vererbte Johanna Eckertz den gesamten Besitz an das treue Hausmädchen Gertrud Kochems, welches seit 1909 im langjährigen Dienst des Geheimen Oberbaurates Höffgen bzw. seiner späteren Erben, den Fräulein Eckertz I und II gestanden hatte.Mit dieser wohlfeilen und reichhaltigen Erbschaft wurde das nunmehr seit 57 Jahren bestehende Dienstverhältnis belohnt und „Trautchen“ Kochems konnte sich der Verwirklichung des uralten amerikanischen Traumes „…vom Tellerwäscher zum Millionär“ gewiss sein. Träume werden wahr – man muss nur die Muße haben lange genug darauf warten zu können!

Gertrud Kochems, einige Jahrzehnte später als Gast bei einer Beilsteiner Hochzeitsgesellschaft.
Sie steht direkt oberhalb der in schwarz mit weißem Schleier gekleideten Braut.

Der ehemalige christliche Friedhof an der Klosterkirche

Der ehemalige christliche Friedhof an der Nordfassade der Klosterkirche auf dem Rammerberg.

Im Vordergrund zu erkennen ein Friedhofskreuz aus dem Jahre 1686 (dem Baubeginn des Klosters), gestaltet in rotem Sandstein und in der Art der barocken Wegekreuze, wie man sie an der Mosel häufig fand.

Das Kreuz wurde bei der Renovierung der Außenfassade Ende der 1980er Jahre abgebrochen. Es liegt seitdem in viele Einzelteile zerfallen, zu einem wirren Haufen und von Moos und Efeu überwuchert mitten auf dem alten Kirchhof, ohne daß sich wohl jemand zuständig fühlt, dieses einmalige kunsthistorische Kulturgut wieder aufzubauen.

Der Friedhof wurde in den 1960er Jahren – nachdem er den Beilsteinern nahezu 300 Jahre als christliche Begräbnisstätte gedient hatte – aus Platzmangel an den Ortsrand verlegt.

Zwei uralte Grabsteine aus den Jahren 1665 und 1819 wurden an den Rand desjenigen Weges versetzt, der vom alten Friedhof auf den Kirchvorplatz führt.

Der jüdische Friedhof hingegen, für den jahrhunderte lang recht beträchtlichen jüdischen Anteil an der Beilsteiner Bürgerschaft lag seit altersher – dem jüdischen Ritus entsprechend – außerhalb der Stadt, östlich der Burg gelegen. (Foto vor 1951)

Genauere Ansicht des Sandsteinkreuzes:

Detailansicht des Sandsteinkreuzes:

Detailvergrößerung des Sandsteinkreuzes:

 

Auf diesem alten Grundriss der Klosteranlage ist der ehemalige Friedhof rot markiert.

Das Areal, nördlich der Kirche gelegen war über zwei Ebenen terrassiert.

In der nord-westlichen Ecke wurde 1951 eine Seitenkapelle („Gnadenkapelle“) mit darunter befindlicher Gruft an das Kirchenschiff angebaut.

Hierzu mussten vier Gräber aus den 1930er Jahren umgebettet werden.

Das Grundstück und auch die Grablegung der Beilsteiner Karmeliten unter der Seitenkapelle sind für den interessierten Besucher zugänglich über ein eisernes Eingangstörchen in der Ostmauer. (Grundrisszeichnung vor 1951)

 

Auf der Friedhofsmauer des alten Kirchhofes sitzt hier der langjährige katholische Seelsorger Beilsteins Pastor Peter Weißenfels (1875-1940).

Er war der Pfarrer im Ort von 1907 bis 1931.

Im Hintergrund sind die Weinberge auf der Nordseite der Alten Wehrstraße zu sehen.

Wer die Dame zu seiner Linken ist, bleibt unbekannt. Ihre Kleidung und ihr gepflegtes Äußeres weisen auf eine gewisse gesellschaftliche Stellung im Ort hin.

Vielleicht war sie sogar die Auftraggeberin für dieses qualitätsvolle Foto. (Datum der Aufnahme zwischen 1907 und etwa 1915)

Der jüdische Friedhof zu Beilstein

Der jüdische Friedhof zu Beilstein befindet sich auf einer Anhöhe etwa 300 Meter südlich und leicht oberhalb der Burg. (siehe gelbe Markierung). Laut Vorgabe der jüdischen Halacha (H.umfasst die 613 Gebote und Verbote im Judentum) musste er sich außerhalb des Ortes befinden. Wann das Gräberfeld an diesem Ort angelegt wurde, ist nach jetzigem Kenntnisstand nicht genau zu sagen. Die heute noch lesbare und älteste Grabstele verweist auf einen gewissen Rafael (Sohn des geehrten Moshe), Todestag: 10. November 1818.
Es drängt sich die Frage auf: Wo wurden die Juden aus Beilstein und den umliegenden Orten vor dem beginnenden 19. Jahrhundert zu Grabe getragen – blickt doch alleine die hiesige jüdische Gemeinde auf ihr Bestehen seit 1310 in Beilstein zurück.
Sollte sich etwa unterhalb des aktuell zu betrachtenden Gräberfeldes eine zweite oder dritte Ebene mit weit älteren Gräbern aus der Zeit vor 1818 befinden?

Ein jüdisches Grab darf niemals wieder neu belegt werden und soll auf Ewigkeit unberührt bestehen bleiben. So muss sich ein Judenfriedhof naturgemäß im Laufe der Jahre bzw. Jahrhunderte immer weiter ausdehnen. War dieses in der Fläche nicht möglich, füllte man notgedrungen auf die bestehenden Gräber eine weitere Bodenschicht auf und belegte diese mit neuen Gräbern (siehe hierzu die Geschichte des Prager Judenfriedhofes). Ob diese hoch spannende und für Deutschland sehr seltene Gegebenheit auch in Beilstein nachzuweisen ist wird in naher Zukunft eine Forschungsgruppe der Universität Trier untersuchen. Diese plant, das Gräberfeld mit einem Verfahren der Bodenradarmessung auf vermutete unterirdische Gräber zu untersuchen. Das Ergebnis dieser geotechnischen Vermessung wird hoffentlich Gewissheit zur Fragestellung verschaffen.

Israelitisches Familienblatt, 8. Mai 1930
Bis in die 1930er Jahre gab es noch Grablegungen in Beilstein, die letzte im Jahr 1938.

Der Friedhof muss sich auch in diesen Jahren noch in einem guten und gepflegten Zustand befunden haben.

Der nebenstehende Artikel aus dem Israelitischen Familienblatt bezeugt dieses glaubhaft.

Vereinzelte kleine Marmorplättchen mit Todesdaten aus 1942 erinnern an Opfer der Shoa in deutschen Konzentrationslagern.

Diese Menschen wurden jedoch nicht auf dem Beilsteiner Friedhof beigesetzt.

Die Erinnerungsplättchen wurden in jüngster Zeit von Verwandten der Opfer in Auftrag gegeben und angebracht.

Vergleicht man das Foto aus der Zeit um 1900 mit dem heutigen Zustand, fällt dem aufmerksamen Betrachter auf: Die meisten Grabsteine stehen heute an anderer Stelle, einige sind überhaupt nicht wiederzufinden. Inschriften auf Grabsteinen, die oft in kostbarem Granit gehalten wurden, sind teilweise völlig verschwunden!!! 12 Jahre Deutscher Faschismus (1933-45) haben eben auch in Beilstein stattgefunden. Offensichtlich hat man dem jüdischen Friedhof übel mitgespielt.

In einem Dokument des Amtsbürgermeisters von Senheim (in seiner Eigenschaft als zuständige Ortspolizeibehörde für Beilstein) wurde am 29. November 1948 berichtet: Laut mündlicher Aussage des Leiters der Beilsteiner Jugendherberge, Ludwig Sausen sei der jüdische Friedhof in Beilstein mutwillig zerstört und geschändet worden in den Jahren 1941 oder 1942. Dies sei geschehen durch eine auswärtige HJ (Hitler Jugend) Gruppe, die seinerzeit in der Jugendherberge nächtigte..

Ob die Aussage von Ludwig Sausen der ganzen Wahrheit entsprach, oder eine Art Schutz- oder Entlastungsbehauptung war, um von der Täterschaft bzw. Mittäterschaft Beilsteiner Bewohner abzulenken, kann man heute nur schwer beurteilen. Schließlich war Sausen selbst seit 1933 einer der der vielen NSDAP Parteigenossen im Ort. Es gibt aber wenig Grund seine Datierung 1941/42 anzuzweifeln.

In den Jahren nach 1945 wurden die Städte und Gemeinden in der Bundesrepublik per gesetzlicher Verordnung verpflichtet ihre jüdischen Friedhöfe wieder aufzubauen, das hieß, sie möglichst in einen Zustand von vor 1933 zurück zu versetzen. Infolgedessen wurden auch in Beilstein die umgestürzten, zum Teil zerstörten Stelen in recht planloser Art und Weise wieder aufgestellt. Man achtete lediglich darauf, Gräber jüngeren Datums aus dem 19. und 20. Jahrhundert in die beiden vordersten Reihen zu setzen.

Jüdischer Friedhof vorderer und jüngerer Teilbereich um 1900

Jüdischer Friedhof hinterer und älterer Teilbereich um 1930
Detailvergrößerungen der Grabstelen hier:
Den Zustand aus den 1950er Jahren, nach der Wiedererrichtung bildet dieses Fotodokument ab. Das Grab David Lipmanns (1858-1902), bekrönt mit einem steinernen Satteldach und auf dem Foto als Orientierungspunkt leicht auszumachen steht noch an seinem ursprünglichen Aufstellungsort aus dem Jahre 1902. Ursächlich hierfür ist wohl das stabile Betonfundament, welches bei der Schändung kaum zu zerstören war. Die meisten Stelen, die um 1900 das Grab David Lipmanns umgaben, befinden sich nach dem „Wiederaufbau“ an anderen Stellen oder sind gänzlich verschwunden. Die heutige Anordnung der Gräber dürfte sich somit wesentlich unterscheiden vom Zustand des Gräberfeldes vor seiner Schändung 1941/42.
Als interessantes Beispiel für eine Grabinschrift möchte ich an dieser Stelle die Stele Daniel Lipmanns (1830-1884) herausstellen. Die Stele ist in einem sehr guten Zustand und dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Nazizeit von der Familie Lipmann als Neuanfertigung aufgestellt worden sein.
jued.-Friedhof-Text-Stehle-Daniel-Lipmann.jpg
Ein solch poetischer Text, der den Verstorbenen in seinen positivsten Eigenschaften beschreibt ist durchaus typisch für eine jüdische Grabstele. In einer Art Lebensbilanz sollen die Taten und das Wirken dieses Menschens besonders gewürdigt werden.
Zahlreiche Beilsteiner jüdischen Glaubens verließen Beilstein zwischen 1900 und dem Ende des 1. Weltkrieges und zogen in Großstädte oder verließen Deutschland ganz. Die letzte in der Nazizeit verbliebene jüdische Familie, die Familie Koppel zog 1939 von Beilstein nach Köln. Von dort wurden sie im Sommer 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Im September 1942 verschleppte man sie in das KZ und Vernichtungslager Treblinka, wo sie gleich nach Ankunft am (21?) 9. 1942 ermordet wurden. Weder an das Ehepaar Koppel samt seiner Schwester Mathilde Koppel, noch an rund ein Dutzend weiterer, ehemals in Beilstein ansässiger Juden, die von den Nazis umgebracht wurden erinnert heute in Beilstein irgendetwas.