Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 10

Von Kaisern, Eichen und heraufziehenden Kriegen

Wir befinden uns auf dem „Liesenicher Kalk“, einem Fleckchen etwa 2 Kilometer oberhalb von Beilstein und schreiben den 22. März 1897. Im ganzen deutschen Reich finden „vaterländische“ Feste zu Ehren des 1oo. Geburtstages Kaiser Wilhelm I statt.

So auch in unserem Städtchen Beilstein. Der selbige war bereits neun Jahre zuvor verschieden und konnte die Veranstaltungen, die in einem sich überschlagenden nationalen und kaisertreuen Taumel von seinem Enkel Wilhelm II reichsweit zelebriert wurden nur aus der Walhalla beobachten.

Wilhelm II erklärte im Zuge der Feierlichkeiten seinen Opa wegen seiner Verdienste um die Reichsgründung posthum zu „Kaiser Wilhelm dem Großen“. Ein Titel, der sich in der deutschen Geschichte zum Glück nicht wirklich durchsetzte.

Zum Verständnis ein kurzer Ausflug in die deutsche Geschichte: Napoleon I von Frankreich brachte 1806 den letzten deutschen Kaiser Franz II dazu den Kram hinzuschmeißen. Hernach war Deutschland für 65 Jahre ein Haufen kleiner und größerer Herrschaftsgebiete. Die Forderungen der 1848er Revolution nach einem vereinten und demokratischen Deutschland wurden mit der Gründung des 2. Deutschen Reiches 1871 nicht erfüllt.

 

Nachdem einige deutsche Staaten unter Führung Preußens 1870/71 den Krieg gegen Frankreich gewonnen hatten, verabredeten die Sieger eine Reichseinigung unter einem obrigkeitsstaatlichen und antidemokratischen Vorzeichen.

Zur Demütigung des besiegten Frankreichs fand die feierliche Kaiserproklamation, d.h. die Verleihung der Kaiserkrone an den bisherigen preußischen König Wilhelm in Versailles bei Paris statt.

Weiterhin nahm man Frankreich große Gebiete ab (Elsaß-Lothringen) und bestand auf eine 5-Milliarden-Kriegsbeute.

Mit solchen Bildpostkarten sollten Kinder um das Jahr 1900 schon früh fürs Militär und Krieg begeistert werden.
Mit dieser „Starthilfe“ wurde ein Nationalstaat aufgebaut, der von Beginn an auf einen agressiven Militarismus baute und im Inneren beispielsweise mit den Sozialistengesetzen (1878-90) eine harte Knute der Unterdrückung führte. (Zur Illustration dieser Epoche sei an dieser Stelle Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ empfohlen, der den Irrsinn und die Verrücktheiten jener Zeit ganz hervorragend darstellt.)
Zurück zur Mosel: Am Vorabend des Jahrestages gab es den großen Zapfenstreich und Feuerwerk, am 22.März 1897 selbst einen Festgottesdienst in Beilstein und allen anderen Dörfern, die zur Amtsgemeinde Senheim gehörten. Wie die Kirche neben dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat als zweite wichtige Institution für eine aufgeheizte nationalistische und antifranzösische Stimmung sorgte und somit auch die Voraussetzungen für den 1. Weltkrieg mitschuf, verdeutlicht ein Auszug aus einem Gedicht, welches der Beilsteiner Pfarrer Ladislaus Stanislaus Ferdinand von Freyhold (1839-1919) im Jahre 1888 verfasste. Von Freyhold war der katholische Seelsorger im Ort zwischen 1888 und 1896. Wieder zurück zu unserer Geburtstagfeier in den März 1897: Am zweiten Tag der Feierlichkeiten, dem 23. März pilgerten Schulklassen und Vereine nach dem Liesenicher Kalk, wo ein feierlicher kaisertreuer Festakt stattfand.
Von einem Beilsteiner Vereinstreffen zeugt dieses zeitgenössische Foto, aufgenommen unterhalb der Lipmann´schen Hotelterrasse.
Am darauffolgenden Tage wurde schließlich zu Ehren des Jubilars eine deutsche Eiche in deutsche Erde gelassen – fortan genannt die Kaisereiche. Nocheinmal wurde das Gras rund um die Eiche unnütz platt getreten: Am 16.Juni 1913 wurde das 25 jährige Thronjubiläum Wilhelm II auf ähnliche Weise auf dem Liesenicher Kalk gefeiert. Es soll ein festlicher Tag gewesen sein, gegen 18.00 war man wieder zuhause – die Kinder, um am nächsten Morgen wieder rechtzeitig in der Schule zu sitzen – die Väter, um im darauffolgenden Jahr auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges für ihren Kaiser zu verrecken. Die Kaisereiche steht heute noch an ihrem damaligen Platz (an der L 200, Abzweig Beilstein).

Literatur- und Medienempfehlung

Mann Heinrich: Der Untertan
Engelmann Bernt: Wir Untertanen – Ein deutsches Geschichtsbuch
Jacobeit Sigrid und Wolfgang: Illustrierte Alltagsgeschichte des Deutschen Volkes 1810-1900
Jacobeit Sigrid und Wolfgang: Illustrierte Alltagsgeschichte des Deutschen Volkes 1900-1945

 Nationalismus und Militarismus im Kindergarten 1871-1918

 Die Reichsgründung – 90 minütige Spielfilm-Doku von 2015

Von Militarismus und Nationalismus – oder von nichts kommt nichts!
Das Kriegerdenkmal auf dem Vorplatz der Klosterkirche

Das Ergebnis dieses nahezu auf allen Seiten und bei allen europäischen Mächten um sich greifenden Hasses und Chauvinismus ließ gerade einmal knapp eineinhalb Jahre auf sich warten. Zum Verständnis der Ereignisse muss ich ein wenig ausholen:

Der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand besuchte am 28.Juni 1914 Sarajewo, die Hauptstadt der k.u.k. Länder Bosnien und Heregowina (Teil des österreichisch-ungarischen Staatsgebildes). Der Student Gavrilo Princip erschoss den Erzherzog und seine Gemahlin im offenen Wagen. Der Wiener Hof und seine Militärs nutzten das Attentat alsbald um den politischen Schock diplomatisch gegen Serbien einzusetzen. Österreich-Ungarn nötigte Serbien mit nahezu unerfüllbaren Forderungen. Als Serbien das gesetzte Ultimatum verstreichen ließ, kam es am 28.Juli 1914 zur Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Dies geschah im Wissen darum, dass Russland als Verbündeter Serbiens seiner Schutzmacht wohl beistehen werde. Österreich-Ungarn konnte sich hingegen sicher sein Beistand durch seinen engen und starken Verbündeten, das Deutsche Reich in diesem Krieg zu erhalten.

Deutschland versicherte in den letzten Julitagen nochmals ausdrücklich seine Bereitschaft auch im Falle eines Krieges mit Russland an der Seite der k.u.k. Monarchie zu stehen. Dieser sogenannte „Blancoscheck“ des Deutschen Reiches war der entscheidende Funke, der an das Pulverfass der unmittelbaren Kriegsgefahr angelegt wurde. In Folge dessen waren nun innerhalb weniger Tage alle wichtigen imperialistischen Staaten und ihre verbündeten Länder in Europa in den 1. Weltkrieg verwickelt.

Schlussendlich wurde dieser vier Jahre währende Krieg auf allen Seiten zu einem unvorstellbaren Gemetzel. In den Schützengräben lagen sich die verfeindeten Armeen im Stellungskrieg teilweise Monate und Jahre lang gegenüber, ohne irgendeinen militärischen oder sonstigen Nutzen daraus zu ziehen. Immer neue, modernere und grausamere Waffen kamen zum Einsatz.

Verwüstete und umgepflügte Landschaft: Schlacht an der Somme/ Frankreich 1.7. bis 18.11.1916. Alleine bei dieser Schlacht verloren auf deutscher, britischer und französischer Seite insgesamt 1,1 Millionen Männer Ihr Leben
Zuletzt schreckte man auf allen Seiten auch nicht mehr vor dem Einsatz von Giftgas zurück. Hatten sich im Sommer 1913 die wichtigsten europäischen Monarchen noch in Berlin zur Hochzeit von Kaiser Wilhelms II  einziger Tochter zum Familienfest getroffen – tatsächlich verbanden enge familiäre Verwandtschaften die gekrönten Häupter Deutschlands, Russlands und Englands. So hielt es sie nicht davon ab ein Jahr später ihren jeweiligen Proletariern zu befehlen sich gegenseitig die Kehle durchzuschneiden. Der 1. Weltkrieg hat mehr als 9 Millionen völlig sinnlose tote Soldaten auf allen Seiten gekostet. Allein Deutschland beklagte 2 Millionen getötete Soldaten. Hinzu kamen die an Hunger, Krankheiten und Unterernährung gestorbenen Deutschen hinter der Front.

Beilstein hat hier einen bemerkenswert überproportionalen „Blutzoll“ leisten müssen. Die in den 192oer Jahren auf dem Vorplatz der Kirche aufgestellte Stele zur Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen  Beilsteiner Soldaten listet 10 Männer auf:

Nikolaus Löllmann

Unbekannter Beilsteiner

Bei dieser Fotografie handelt es sich um einen „Sperrmüllfund“ aus der Haushalts-auflösung des Beilsteiner Haushaltes Josefa Teska / Fürst-Metternich-Straße vor einigen Jahren. Mit Sicherheit handelt es sich aber um einen Beilsteiner Soldaten.

vermisster Sohn Fam. Boos

Josef Porten

Franz Löllmann

Die Namensliste ist insofern unvollständig, als dass sie keine Vermissten mit einbezieht. Die modernen Waffen haben menschliche Körper oft so zerfetzt, dass eine Identifikation unmöglich war. Noch Jahre später galten hunderttausende Soldaten als verschollen bzw. vermisst – kaum einer kam zurück. Zumindest der Sohn der Beilsteiner Familie Boos galt für immer als vermisst und sollte der Liste hinzugefügt werden. So müssen wir zahlenmäßig davon ausgehen, dass mindestens ein Dutzend junger Beilsteiner in diesem Krieg getötet wurde. 

Der Beilsteiner Nikolaus Löllmann (erste Person von links) im Kreise seiner Kammeraden. (Foto: Wahrscheinlich Westfront/ Frankreich um 1915-17)

 1914 hatte Beilstein bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 200 Personen rund 100 männliche Einwohner. Die Alterskohorte der zwischen 1885-1901 Geborenen (Soldatengeneration) dürfte vielleicht 20 Männer ausgemacht haben. Fast zwei Drittel aus dieser Generation hat der Krieg verschlungen. Was das für Beilstein bedeutete mag man sich vorstellen.

Nahezu alle abgebildeten Mitglieder des Beilsteiner Gesangvereines Moselgruß sind entweder unter 30 Jahre oder über 45 Jahre alt. Fast eine ganze Generation Männer fehlt. (Aufnahme: 1929)

Zeitungsbericht vom 1.7.1929

Das Kriegerdenkmal in Form einer Stehle vor der Beilsteiner Klosterkirche kleidet diesen Umstand in die beschönigenden Worte: Den Tod für das Vaterland starben aus Beilstein 1914-1918. Solche oder ähnliche Sätze waren nach 1918 in allen kriegsbeteiligten Ländern die üblichen Formulierungen, mit denen man Kriegerdenkmäler versah. Waren sie geeignet den Hinterbliebenen Trost zu spenden oder dem Massensterben irgendeinen Sinn zu verleihen?

Kurt Tucholsky veröffentlichte am 21. April 1925 in der „Weltbühne“ einen bemerkenswerten Text unter der Überschrift:
Die Tafeln

 Tucholsky schlug vor den Passus: „Sie starben für das Vaterland“ zu ersetzten durch die Formulierung: „Sie starben durch das Vaterland“. Ein Vorschlag, über den man zumindest nachdenken könnte.

Ein Letztes muss an dieser Stelle noch erwähnt werden. Einen weiteren Namen lässt die Stele vermissen. Den Namen des am 22.6.1894 in Beilstein geborenen jüdischen Soldaten Siegfried Stern. Er wurde am 9.10.1917 bei Kämpfen an der Front getötet. Ob er sein Leben fürs Vaterland gerne gab wissen wir nicht. Auch wissen wir nicht, ob er seinen Namen unter den gegebenen Text gerne gesehen hätte. Im Lichte der späteren Geschehnisse ist das nicht sehr wahrscheinlich. Sein jüngerer Bruder Hermann Stern, am 3.10.1896 in Beilstein geboren wurde als Jude von eben diesem Vaterland einige Jahre später ins Konzentrationslager verschleppt und im KZ Flossenburg am 6. März 1945 ermordet.

Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg. (Kurt Tucholsky in der Weltbühne vom 21.6.1932)

Literatur-und Medienempfehlungen:

  • Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Deutsches Zeitungsmuseum: Euphorie und Untergang – Im Trommelfeuer der Schlagzeilen
  • Museum Industriekultur Osnabrück: Der Industrialisierte Krieg 1914-1918
  • Pätzold Kurt: 1914 Das Ereignis und seine Nachwirkungen
  • Vitz Rainer u.a. (Autorenkollektiv): Kriegszeit Künstlerflugblätter – Kunst im Dienst von Krieg und Propaganda 1914-1916
  • Lamszus Wilhelm: Das Menschenschlachthaus – Visionen vom Krieg
  • Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin: Fotografie im Ersten Weltkrieg
  • Fesser Gerd: Deutschland und der Erste Weltkrieg.

 Zitate und Gedichte über Krieg von Kurt Tucholsky

 regionalgeschichte.net  Wirtschaft und Arbeit an der Mosel 1914-1918

Vom american way of life in Beilstein – die amerikanische Besatzung an der Mosel 1918-1923

Grußkarte der amerikanischen Besatzungstruppen, 1921

Der erste Weltkrieg war mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandabkommens in Compiègne am 8. November 1918, d.h. mit der deutschen Kapitulation beendet. Im Waffenstillstandsabkommen war bereits die Stationierung von amerikanischen, französischen, belgischen und britischen Truppen auf der linken Rheinseite festgeschrieben worden. Ebenso wurden rechtsrheinisch einige Brückenköpfe (Koblenz, Trier und Mainz) von den Siegermächten besetzt und eine von den deutschen Truppen entmilitarisierte Zone rechts des Rheines vereinbart. Diese Besatzungszeit begann offiziell im Dezember 1918 mit der Ankunft des französischen Generals Mangin in Mainz. Das Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz wurde in Besatzungszonen aufgeteilt. Das Areal um Trier und Koblenz, somit auch der heutige Kreis Cochem-Zell, d.h. auch Beilstein geriet in die amerikanische Besatzungszone.
Die Besetzung des Rheinlandes wurde endgültig festgeschrieben im sogenannten Rheinlandabkommen, einem Unterpunkt des Versailler Vertrages, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat. Frankreich hatte ein gewisses Interesse daran das linksrheinische Gebiet zu einem eigenen Staat zu formen und unterstützte separatistische deutsche Gruppen in diesem Bestreben. Die USA hingegen hielten solche Bestrebungen für nicht erstrebenswert und unterstützten in ihrem Besatzungsgebiet keinerlei Separatisten.

Amerikanische Soldaten marschieren im November 1918 entlang des Moselufers Richtung Rhein

 

Im amerikanischen Besatzungsgebiet wurden ab November 1918 bis zu 250.000 Besatzungssoldaten stationiert.

Ab dem August 1919 reduzierten die USA ihre Besatzung auf das Gebiet rund um den Koblenzer Brückenkopf.

Der amerikanische Major General Allen kommandierte nunmehr lediglich 19000 Soldaten von seinem Hauptquartier Koblenz aus.

Der westliche Teil mit Trier sowie Gebieten in Eifel und Hunsrück wurde nunmehr von Frankreich besetzt.

Platzkonzert der Sixth Pioneer Infantry Band, 4th Army Corps, Dezember 1918, Cochemer Marktplatz

Viele neue und bis dahin unbekannte Dinge brachten die amerikanischen Soldaten mit an die Mosel. Von unterschiedlichen Essgewohnheiten über das Konsumieren von Kaugummis, Coca Cola, reichlich Alkohol, dem Baseball Spiel und weiteren Neuerungen war zu berichten. Auch ihre Musik war den Moselaner zunächst ziemlich fremd, was sich aber durch öffentliche Musikdarbietungen, wie bsw. hier im Dezember 1918 auf dem Cochemer Marktplatz schnell als Problem erledigte.

 

Mit dem Verteilen von Kaugummis und Schokolade konnten die US-Soldaten besonders die Kinderherzen schnell gewinnen.

Die Aufnahme entstand ebenfalls in Cochem am 22.12.1919.

Amerikanische Soldaten setzen im Winter 1918/19 mit der Beilsteiner Fähre und einem Nachen über auf die Beilsteiner Uferseite

Anfänglich mussten zahlreiche amerikanische Soldaten, mangels Alternativen in Schulen, öffentlichen Gebäuden, aber auch in Privatquartieren untergebracht werden. Sie wurden auf die Städte und Dörfer verteilt und somit dürfte auch Beilstein im Winter 1918/19 zum ersten Male mit amerikanischen Soldaten und ihrer recht fremden Lebenskultur konfrontiert worden sein. Die von den amerikanischen Militärbehörden erlassene „Anti-Fraternisation-Order“, die den US-Soldaten jeglichen Kontakt mit der deutschen Zivilbevölkerung untersagte, erwies sich rasch als völlig unwirksam. So kam es auch zu zahlreichen Verbindungen, die den Rahmen des „Freundschaftlichen“ durchaus überschritten haben dürften. 1923, am Ende der amerikanischen Besatzungszeit zählten die US-Streitkräfte insgesamt 1851 Kinder aus solchen Beziehungen, für die man eigens eine Stiftung zur materiellen Absicherung eingerichtet hatte.

 

Auch in Beilstein hatte es am Ende der US- Besatzungszeit zwei Kinder mehr im Ort, deren Väter weder einheimische Winzer waren, noch des Beelster Platts als Sprache mächtig waren.

Ein Umstand, der heutzutage den wenigsten Beilsteinern noch bewusst ist – wurde er vor 100 Jahren doch weitestgehend verschwiegen. Geschadet hat er dem Ort sicherlich nicht!

Am 25. August 1921 schlossen Deutschland und die USA einen Separatfrieden, nachdem der amerikanische Kongress die Ratifizierung des Versailler Vertrages abgelehnt hatte.

Die USA verloren zunehmend das Interesse an ihrem Besatzungsgebiet.

Nach der eigenmächtigen Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen Anfang 1923 zogen sich die Amerikaner endgültig zurück und überließen im Januar 1923 Frankreich auch die letzten Gebiete rund um Koblenz.

Frankreich beendete seine Besatzungszeit in unserem Raum schlussendlich erst im Juni 1930.

Auf der Terrasse vor ihrem Haus steht hier im Sommer 1920 Die junge Beilsteinerin Johanna Hafer. Im Arm hält sie ihr Töchterchen, ebenfalls Johanna getauft, welches im Dezember 1919 geboren wurde und niemals ihren amerikanischen Vater kennen gelernt hat.

 

Am 22. Juli 1930 veranstaltete die preußische Staatsregierung anlässlich des Abzuges der letzten französischen Besatzungs-soldaten am Deutschen Eck in Koblenz eine imposante „Rheinland Befreiungsfeier“.

Das Fotodokument zeigt den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und den Koblenzer Oberbürgermeister Dr. Carl Russell.

Von Kapellen und Künstlermotiven

Aufnahme etwa 1910

Aufnahme etwa 1920

Blick auf die obere Bachstraße: Im Vordergrund eine offene Wegekapelle mit einer barocken Steinmadonna aus dem 17. Jahrhundert, die aus der 1805 profanierten Pfarrkirche am Marktplatz stammt. Im Hintergrund zu sehen: Der Ostflügel des Karmeliterklosters, nördlich gelegen der Mönchschor der Klosterkirche. Dem Chorbereich gegenüberliegend: Der ehemalige Klostergarten, heute leider sehr lieblos zu einem Parkplatz umgestaltet. Die aus dem 17. Jahrhundert stammende Mauer des Klostergartens wurde teilweise vor wenigen Jahren für den Bau des Parkplatzes niedergerissen. Beide Fotos bilden den gleichen Standort ab. Das Haus am rechten Bildrand erhielt nach 1910 nach Osten hin ein zweigeschossiges Kelterhaus als Anbau. Zehn Jahre zuvor war dieser Raum (gelegen unterhalb der alten Brücke, die über den Vorderbach führte) nocht nicht bebaut und diente als Abstellplatz für Leitern und Brennholz.

An dieser Stelle ein unglaublicher Zufallsfund, den ich vor kurzem entdeckte. In Berlin hat es zwischen 1901 bis 1943 ein Weinlokal in der Leipzigerstrasse 31/32 gegeben: „1. Rheinische Winzerstube“ Dieses Lokal hat kurz nach 1900 auch ein eigenes Liederbuch mit weinseeligen Liedern publiziert. Zum Blättern in diesem Liederbuch hier klicken. Eines der dortigen Wandgemälde im seinerzeit so betitelten Gastraum Moselstübchen bildet exakt diesen Beilsteiner Standort ab. Die faksimilierte Abbildung jenes Wandgemäldes wurde in Form dieser Postkarte von 1911 wohl an die Gäste vergeben.

Rund dreißig Jahre zuvor hat die Wegekapelle schon einmal als Inspiration für eine künstlerische Darstellung gedient. In dem opuleten Geografieband: „Rheinfahrt von der Quelle des Rheins bis zum Meer“ aus dem Jahre 1876 entdeckte ich diese Druckgrafik des Zeichners und Illustrators Richard Püttner ( 1842 – 1913). Püttner nahm sich hier einige künstlerische Freiheiten. Das 1876 mit Sicherheit an dieser Stelle gegenüber der Kapelle schon bestehende Haus ersetzt er mutig durch einen romantisierenden Wald mit knorrigen Bäumen. Links neben die Kapelle platzierte er eine Entnahmestelle für Quellwasser. Diese hat es 1876 tatsächlich unweit der offenen Wegekapelle gegeben, sie befand sich allerdings rechts unterhalb des Kapellengebäudes. Wiedereinmal zeigt sich, dass die Fantasie der Künstler im Nachhall der Romantik des 19. Jahrhundert kaum Grenzen kannte auf der Suche nach geeigneten Sujets. Das Brunnenbecken bzw. die Wasserentnahmestelle an diesem Ort will ich im folgenden vorstellen.

Von Quellen und alten Wasserleitungen

Wasserentnahme am Bürgerhaus
auf dem Marktplatz

Wasserentnahme an der
oberen Bachstrasse

Die Beilsteiner benötigten für ihr Frischwasser keine Tiefbrunnen. Die beiden Wasserentnahmestellen wurden gespeist durch Quellen im oberhalb des Ortes gelegenen Weinberg. Nach den Erinnerungen des Altbürgermeisters Toni Bauer (1914-2008) war der Sommer 1921 ein extrem trockener Sommer. Der permanente Zufluss von Quellwasser verringerte sich zu einem tröpfelnden Rinnsal und die Beilsteiner behalfen sich mit dem vorrübergehenden Einbau von absperrbaren Wasserkränen. Auch in den Wintermonaten bei eisigen Minustemperaturen war die Versorgung mit Trinkwasser ein Problem im Dorf. Erst 1925 wurde für Beilstein ein flächendeckendes öffentliches Wassernetz installiert, an welches nun jedes Haus angeschlossen wurde. Hierzu wurde im Bachtal, kurz vor dem heutigen Ortsausgangsschild auf der linken Straßenseite ein Hochspeicher errichtet. Dieser wurde mit Quellwasser gespeist und sorgte auch für den erforderlichen Wasserdruck in der Leitung.

Das kleine Gebäude mit Bruchsteinen verkleidet besitzt auf seinem  Flachdach recht merkwürdigen Bauschmuck in Form von mittelalterlichen Burgzinnen. Wer sich das im Jahre 1925 ausgedacht hat, hat es vielleicht gut gemeint. Die Wirkung solch falsch verstandener Historizität ist trotzdem eher lächerlich. Einen gab es in Beilstein, der aber wirklich nicht auf den Bau von öffentlicher Wasserversorgung warten wollte. Der Geheime Oberbaurat Höffgen baute sich kurzerhand um das Jahr 1900 seine private Wasserleitung. Privat bedeutete in dem Fall: Diese Wasserleitung war wirklich nur für sein herrschaftliches Haus am Fuße der Klostertreppe bestimmt. Er war somit um die Jahrhundertwende der einzige in Beilstein, der in seinem Gebäude den Wasserkran aufdrehen konnte und dann sofort Frischwasser zur Verfügung hatte. 

Sein eigenes kleines Brunnenhaus steht heute noch stark verfallen und völlig vergessen in einer Erdmulde mitten im Wald. Die Mulde ist ein Teilstück des ehemaligen Mühlenteiches, der sich dort bis ins 19. Jahrhundert befunden hat. Dieser Teich hat in Beilstein die nötige Wassermenge auf die Wasserräder dreier Kornmühlen geleitet. Der Straßenname Im Mühlental zeugt auch in unserer Zeit noch von diesem Umstand. (Aufnahmedatum beider Fotos: Februar 2022)

Das Brunnenhaus wurde gespeist mit dem Wasser des Vorderbaches (Strimmiger Bach), der von den Hunsrückhöhen herab durch Beilstein fließt (daher der Name Bachstraße) und schlussendlich in die Mosel mündet.

Der Geheime Oberbaurat Höffgen hat sich hier um 1890 einer Technik bedient, die so einfach, wie wirkungsvoll war.

Durch zwei mit Sieben geschützte Öffnungen wurde das vorgefilterte Bachwasser in ein kupfernes Absetzbecken geleitet. Das von Schwebstoffen befreite Wasser lief über eine niedrige Trennmauer in ein weiteres Becken und von da in seine eigene private Rohrleitung. Das vorhandene Gefälle sorgte dafür, dass am Ende der Rohrleitung mit ausreichendem Druck das Wasser in sein herrschaftliches Haus, am Fuße der Klostertreppe gelegen, eingespeist wurde.

Der heutige, etwa 1 Meter hohe Wasserspiegel im Gebäude besteht aus glasklarem, sauberem Wasser. Das Wasserreservoir muss somit, auch nach 130 vergangenen Jahren einen Durchfluss besitzen, der ständig frisches Wasser zuleitet und wieder ableitet.

Wo die uralte Wasserleitung heutzutage endet und sich ihres ständigen Zuflusses entledigt, das bleibt ein weiteres großes Geheimnis, welches der Ort nicht preisgibt.
(Innenaufnahme: Februar 2022)

Dieses Foto zeigt den Zustand der Schloßstraße vor etwa 100 Jahren. Das Gäßchen war nicht gepflastet sondern einfach in den Fels gehauen. Lediglich in der Mitte sind 2-3 Reihen Pflastersteine zu sehen. Der Grund hierfür: Einige Jahre zuvor hatte der Geheime Oberbaurat Höffgen die erste unterirdische Wasserleitung Beilsteins verlegen lassen. Aus einer Quelle im östlich gelegenen Weinberg leitete er Wasser unter Schloßstraße und Marktplatz bis zu seinem herrschaftlichen Anwesen. Bis in die 1880er Jahre war die Schloßstraße bei starkem Regen die einzige Möglichkeit trockenen Fußes ins obere Dorf zu gelangen. Die unterhalb gelegene Bachstraße führte Quellwasser, Regenwasser und auch Abwässer offen durchs Dorf und machte ein Begehen oft unmöglich. Erst um 1880 wurde sie kanalisiert und gepflastert. Die Aufnahme zeigt auch die rückwärtige Giebelseite meines Hauses „Haus kein Moselblick“. Durch die beiden Holztürchen schaffte man Stroh und Heu auf den Dachboden, das die Kuh im Haus für den Winter benötigte.

Von Steinsärgen und Bienenvölkern

‚Im Dörfer‘ Weinberg östlich der Burg

Josef Rengel (1860-1942)

Als im Frühjahr 1910 der Beilsteiner Gastwirt und Weinbergsbesitzer Josef Rengel bei Arbeiten in seinem Weinberg „Im Dörfer“ – gelegen zwischen jüdischem Friedhof und Burg – in etwa einem Meter Tiefe auf etwas Hartes stieß, war die Sensation da. Hatte man wenige Wochen zuvor schon in der Nähe Reste zweier Steinsärge mit Münzen, Gebeinen und Fragmenten von Waffen gefunden, so barg Josef Rengel mit Hilfe des damaligen Dorfschullehrers Demmer einen kompletten, ungeöffneten Steinsarg aus dem ausgeschachteten Loch. Der Steinsarkophag mit den Außenmaßen 2,30 X 0,79 Meter wurde mit vereinten Kräften auf einen zweirädrigen Mistkarren gehievt und herunter ins Dorf gebracht. Der walzenförmige Sarg war innen sechskantig ausgehauen und enthielt ein recht gut erhaltenes menschliches Skelett, zur Rechten liegend ein „Stilett“ als Grabbeigabe. (Was die Finder in diesem Moment wohl nicht wußten: Eine Waffe als Grabbeigabe in einem solchen Steinsarkophag läßt auf einen fränkischen Mann schließen / Frankenzeit ( 5.-9. Jahrhundert).  Die mit diesem archäologischen Bodenfund 1910 wohl sichtlich überforderten Beilsteiner zogen höchtswahrscheinlich die gelehrten Patres des naheliegenden Klosters Maria Engelport hinzu. Irgendwie muß es zu einer „ungewöhnlichen“ Übereinkunft gekommen sein:

Ansichtskarte der Gastwirtschaft Joseph Rengel ( um 1900-1910 erschienen)

Josef Rengel, der nebenbei auch Bienen züchtete, erhielt von den Mönchen zwei Bienenvölker für seinen Fund. Der Sarkophag ging im Gegenzug an das Kloster. Hier steht Beilsteins größter archäologischer Bodenfund noch heute, recht vergessen und ohne jeden Hinweis unter einem Baum versteckt und wartet darauf, daß man ihm mehr Aufmerksamkeit schenkt als in den letzten gut 110 Jahren. ( Fotos etwa 1910)

Ansicht des Sarkophag im Jahr 2005 hier

Von Weinlagen und Silberabbau – der Beilsteiner Silberberg

Seltene Aufnahme Beilsteins aus süd-westlicher Richtung mit Blick auf die beste Weinlage den Silberberg.

Der Südflügel des Klosters besteht noch als Ruine (heute wieder bebaut).

Das Moselufer erscheint uns völlig anders. Erst der Bau der Staustufen in den 1960er Jahren und die Erhöhung des Moselspiegels in Beilstein schufen den heutigen schnurgraden Uferbereich.

(Foto etwa 1955)

Diese Fotografie bildet den Silberberg aus einer noch besseren Perspektive ab.

In den 1930er Jahren reichten die bebauten Flächen nahezu bis zur Spitze des Berges.

Heute liegen einige dieser höher gelegenen, ehemaligen Weinberge brach bzw. sind bewaldet.

Der Name Silberberg verweist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf mittelalterlichen Silberabbau an diesem Ort.

( Foto um 1930)

Von der Klosterschule zur Zwergschule – Beilsteins Schulwesen in fünf Jahrhunderten

Im Sommer 1971 wurde die letzte eigenständige Schule Beilsteins für immer geschlossen. Es handelte sich um eine sogenannte Zwergschule, in der Kinder vom 1. bis zum 8. Schuljahr in einer gemeinsamen Klasse unterrichtet wurden.

Die Geschichte des Beilsteiner Schulwesens reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert.

Die damalige Herrschaft Beilsteins – die Grafen von Winneburg riefen eine Schule ins Leben, deren berühmtester Schüler ab Ende der 1490er Jahre der spätere Professor Petrus Mosellanus war – ein wichtiger Humanist und Gelehrter jener Zeit.

Zu Luther und Melanchthon stand er in einem guten Verhältnis.

Petrus Mosellanus (geb. als Peter Schade in Bruttig) 1493-1524

Als 1636 das Trierer Domkapitel und die neuen Herrn auf der Burg – die Metternichs – dem Ort Beilstein den Karmeliterorden bescherten (was im Geiste der Gegenreformation sicherlich dazu gedacht war, den Beilsteinern auf alle Ewigkeit den reformatorischen / protestantischen „Irrglauben“ wieder auszutreiben), da richteten die Patres im Klostergebäude recht schnell auch eine Winterschule ein.

Diese befand sich zunächst im alten Klostergebäude an der Mosel (im heutigen Gastraum des Gasthauses Burg Metternich).

Ab Anfang 1693 unterrichteten die Patres im neugebauten Kloster auf dem Rammerberg. Die französische Besetzung sorgte 1805 für ein Ende des Klosters und der Klosterschule. Ab 1806 lehrten weltliche Lehrer im Südflügel des ehemaligen Klosters auf dem Rammerberg. Gelehrt wurde antiklerikal und im Sinne der bürgerlichen Aufklärung. Schon in der preußischen Zeit wurde der Südflügel versteigert und die Schule zog 1816 abermals in das Gebäude des alten Klosters am Moselufer um. Dieses war von 1693-1794 Eigentum der Metternichs gewesen. Die französische Revolution war jedoch so unfreundlich nicht nur den Klöstern alles Land und Vorrechte abzunehmen, sondern auch die Fürsten und Landesherren davonzujagen. Somit war auch das alte Klostergebäude öffentliches Eigentum und konnte die Schule aufnehmen. Der preußische Staat versteigerte dieses Gebäude und so mußte die Schule als Zwischenlösung in ein privates Gebäude, das später der Familie Koppel gehörte, in der Hinterbachstraße (heute Alte Wehrstraße) umziehen. 1823 fand Beilstein endlich eine Dauerlösung. Die alte Pfarrkirche auf dem Marktplatz wurde umgebaut. Der östliche Teil wurde zur Lehrerwohnung, der westliche Teil zum Klassenzimmer umgebaut.

Die historische Aufnahme zeigt das Schulgebäude um die Jahrhundertwende (ca. 1900-1910).

Schulkinder verschiedenen Alters stehen neben einem erklecklichen Haufen Brennholz.

Höchstwahrscheinlich haben sie diesen für das Beheizen des Klassenraumes zusammen getragen.

Das Klassenzimmer wurde mit einem einzigen Kanonenofen beheizt, der auf dem nächsten Foto (einer Innenaufnahme von 1919) zu bestaunen ist.

Das Foto zeigt den Zustand kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Die räumliche Nähe zwischen Schule, Hotel Lipmann und dem damals größten Weinkeller Beilsteins im Zehnthaus war jedoch recht schwierig.

Das Säubern und Ausbessern der Weinfässer auf dem Marktplatz störte die Schulkinder im Unterricht.

Hier wurde von den zwei Arbeitern ein Fass aus dem Zehnthauskeller geschrötert. 

Eine schwere Arbeit, die mit Hebewerkzeugen und Flaschenzügen bewerkstelligt wurde.

Das Fass wird nun auf dem Marktplatz geschwenkt, das heißt von Fremdstoffen und Rückständen gesäubert, um den neuen Wein aufzunehmen.

(Foto 1920)

Wenn die befüllten Fässer verkauft waren, so wurden sie vom Beilsteiner Moselufer aus auf solche Transportschiffe verladen und in die ganze Welt verschickt.

Auf diesem Foto sind einige Fuderfässer vor dem Zehnthauskeller zu betrachten.

Ein Fuderfass hat seit der Einführung des metrischen Systems an der Mosel durch die französischen Besatzer um 1800 einen Rauminhalt von genau 1000 Litern.

Waren die lauten Arbeiten vor dem Zehnthaus für den Schulbetrieb wenig zuträglich, erwiesen sich zugleich die Schulkinder für das Hotel Lipmann mit seinen Gästen am Marktplatz als nicht gerade geschäftsfördernd. In den Pausen tollten und johlten die Schüler auf dem Marktplatz und den Treppenstufen unterhalb des Zehnthauses herum. Die nächste Fotografie bildet im Jahr 1927 die Beilsteiner Schulklasse auf den Treppenstufen unterhalb des Zehnthauses ab. In der obersten Reihe ganz links der Lehrer Kahlki; dritte Person von rechts, der langjährige Bürgermeister Anton Bauer; zweite Person von rechts als letztes jüdisches Schulkind von Beilstein Trude Koppel (1916-2019).

Die ungünstige Lage des Schulgebäudes direkt auf dem Marktplatz gelegen ließ die Beilsteiner Gemeindeväter schon früh nach einer Alternative suchen. So beschloss der Gemeinderat am 10. März 1912 dem Hotelier und Weingutsbesitzer Lipmann ein 650 Quadratruten großes Teilstück aus seinem Weinberg abzukaufen. (Eine preußische Rute war ein sehr altes Längen- / Flächenmaß und entsprach 3,766 Meter, eine Quadratrute entsprach somit 14,185 Quadratmeter). Das Grundstück lag am östlichen Ortsrand in Sigmund Lipmanns „Weinberg auf´m Teich“. Vereinbart wurde ein Kaufpreis von 50 Mark / Quadratrute, was etwa im Preisrahmen von 3000-3500 Mark lag, welcher im Gemeinderatsbeschluss von1912 festgelegt worden war.

 

Dieses zeitgenössische Foto bildet den vorderen (westlichen) Teil des veräußerten Bauplatzes ab.

Er grenzte rechtsseitig direkt an die alte Brücke, die seit dem 17. Jahrhundert den Vorderbach überquerte.

Lipmanns Weinberg und die Brücke wurden zu jener Zeit noch mit einer Bruchsteinmauer voneinander abgetrennt.
(Aufnahme 1914)

Eingangspforte zum Lipmann´schen Weinberg. Zustand 1914

Die Wirren und Finanznöte des 1. Weltkrieges verhinderten zunächst den Baubeginn.

Von 1917-20 pachtete Sigmund Lipmann sein ehemaliges, nun verkauftes Land von der Gemeinde und nutzte es weiterhin als Weinberg.

Zum Ende des Pachtvertrages kam es dann zwischen der Gemeinde und dem Weingutsbesitzer zu einem zweijährigen Rechtsstreit (1919/20), der eine Weile lang den beteiligten Rechtsanwälten ein erfreulich gutes und unerwartetes Einkommen verschafft haben mag.

Es ging um Wegerechte, entnommene Weinstöcke und Humusboden und nicht zuletzt um die Tatsache, dass die Gemeinde von der vereinbarten Fläche nur etwa die Hälfte in Anspruch nehmen wollte.

Nachdem dieser Rechtsstreit beendet war, durchkreuzten die Inflationsjahre und die finanziell mageren zwanziger Jahre alle Pläne zum Baubeginn.

Zeitungsbericht aus der Cochemer Zeitung vom 16. April 1931

 

Schließlich entschied sich die Gemeinde in wirtschaftlich sehr schwieriger Zeit doch zum Baubeginn. Grundsteinlegung für das Schulgebäude mit integrierter großer Lehrerwohnung war am 2. Juni 1930.

Die feierliche Einweihung konnte kaum ein Jahr später am Mittwoch, dem 15. April 1931 zum Schuljahresbeginn zelebriert werden.

Der Zeitungsbericht wirft ein gutes Licht darauf, wie stolz die Beilsteiner auf ihr neues Gebäude waren.

Die neue Schule sollte bis zu ihrer Schließung 1971 vierzig Jahre lang die Beilsteiner Schulkinder beherbergen.

Das folgende Foto, im neuen Schulgebäude aufgenommen, zeigt Beilsteiner Kinder unterschiedlicher Jahrgangsstufen im Sommer 1935 im gemeinsamen Klassenzimmer. Lehrer war Josef Kahlki (1898-1972), der von 1922-1965 die Beilsteiner Schüler unterrichtete.

Erwähnenswert an dieser Aufnahme: Im Sommer 1935 hängt hier noch das Foto des ein Jahr zuvor am 2. August 1934 verblichenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Bereits einen Tag vor seinem Ableben, am 1. August 1934 überführte Hitlers Kabinett per Verordnung das Amt des Reichspräsidenten und Reichskanzlers auf eine Person und erklärte am darauffolgenden Tag Hitler zum „Reichskanzler und Führer des deutschen Volkes“. Von nun an sollte in deutschen Amtszimmern und Schulklassen eigentlich das Konterfei des jetzt unumschränkten Diktators Adolf Hitler hängen. Warum im Sommer 1935 im Beilsteiner Schulhaus nach wie vor Hindenburg die Wand schmückte, bleibt rätselhaft. Ein innerer Widerstand des Lehrers Kahlki?

Nun, das darf bezweifelt werden – war dieser doch wenige Wochen zuvor, am 1.Mai 1935 Mitglied der NSDAP geworden (nach Selbstauskunft in seinem Entnazifizierungsbogen der Gouvernement Militaire Allemagne /Quelle: Landesarchiv Koblenz). Ein wirklicher Zwang zur Parteimitgliedschaft für Lehrer bestand nicht, wie das nach 1945 von vielen Vertretern dieses Berufsstandes fälschlicherweise behauptet wurde. So waren im Deutschen Reich 1935 etwa ein Drittel der Volksschullehrer Mitglied der NSDAP. Zwei Drittel waren es nicht.

Im vorherigen Schulgebäude – der alten Pfarrkirche – wurden die Zwischenwände für das Klassenzimmer und die Lehrerwohnung schließlich 1935 eingerissen und ein geräumiger „Bürgersaal“ in der 1. Etage hergerichtet. Ein Jahr später, 1936 wurden hier einige Szenen des berühmten Heinz Rühmann Films „Wenn wir alle Engel wären“ gedreht. Das folgende Foto stammt aus diesem Film

Das nächste Foto zeigt die Jahrgangsstufen 1 bis 8 vor dem neuen Schulgebäude am Ende der oberen Bachstraße im Jahre 1948. Lehrer Kahlki hat sich im Vergleich zur 1935er Aufnahme äußerlich kaum verändert. Zur Linken befindet sich Pater Dominikus, ein Beilsteiner Karmeliter Pater, der an drei Tagen der Woche den katholischen Religionsunterricht gehalten hat. Der Einfluss der Karmeliten auf die Erziehung der Beilsteiner Kinder war mit der Wiederbelebung des Karmeliterklosters als Dependence vom Springiersbacher Mutterkloster ab 1948 bis zur Auflösung der Beilsteiner Schule 1971 recht bedeutsam.

 

Die Aufnahme zeigt den Schulhof fünf Jahre vor der endgültigen Schulschließung im Winter 1965/66.

Die vordere Bruchsteinmauer war Teil der ehemaligen steinernen Brücke über den Vorderbach.

Nach 1971 wurde diese Mauer abgetragen und auf dem Schulhof an der rechten Seite der Außentreppe ein Spritzenhaus für die Freiwillige Feuerwehr Beilstein angebaut.

Im Hintergrund sind einige Obstbäume zu erkennen, gelegen im damaligen „Eckertz- Bungert“.

Dieses Gartengrundstück wird in Beilstein seit den 1970er Jahren als Friedhof genutzt.