Von kopflosen Räubern und merkwürdigen Bestattungsformen
In diesem östlich und unterhalb der Burgruine gelegenen Weinberg stieß der Beilsteiner Winzer Johann Wagner bei Weinbergsarbeiten im Jahre 1873 auf einen grausigen Fund. Neben dem Weg, der sich östlich der Burg zu jener Zeit hinunter zu dem damals noch existierenden Mühlteich schlengelte, fand er in vier Fuß Tiefe ein Skelett – der abgetrennte Kopf zwischen den Füßen ruhend. Diese – selbst für Beilsteiner Verhältnisse – eher unübliche Bestattungsmethode, darüber hinaus auch außerhalb eines Friedhofes gelegen, ließ den Fund schnell als die Gebeine des 109 Jahre zuvor in Beilstein abgeurteilten und hernach enthaupteten Räuberhauptmannes Johann Dörfer erkennen. Dörfer war in unserer Gegend neben dem bekannteren Räuberhauptmann Schinderhannes ein Bandit, der in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts sein Unwesen trieb.
Die zersplitterten Herrschafts – und Rechtsverhältnisse, die bis 1794 oftmals an Mosel und im Hunsrück herrschten, machten es Räuberbanden leicht sich hier dem Zugriff der Obrigkeit zu entziehen. Die Häscher des Blankenrather Gerichts (welches damals der Beilsteiner Herrschaft unterstand) „überredeten“ Dörfers Geliebte ihm ein Schlafmittel zu verabreichen. Somit wurde der Räuber nach Beilstein in den Gefängnisturm überstellt und 1764 in Beilstein mit dem Schwert enthauptet. Hinrichtungsstätte war etwa dort, wo sich heute der Schiffsanlegeplatz befindet. Johann Wagner pflanzte übrigens 1873 seinem unerwarteten Leichenfund kurzerhand einen neuen Weinstock auf die Brust und konnte sich bereits im Jahre 1877 über herzhafte Trauben freuen. Seit dieser Zeit nennen die Beilsteiner diesen Weinberg „Im Dörfer“.

Literaturempfehlungen:
Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden, Ausstellungskatalog, Karlsruhe 1995
Henker, Schinder & Ganoven – Unbekannte Kriminalfälle aus der Eifel des 18. Jahrhunderts, Bürger Udo, Aachen 1997
Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Hergemöller B.U. (Hrsg.), Warendorf 2001
Arme, Bettler, Beutelschneider – Eine Sozialgeschichte der Armut, Jütte Robert, Weimar 2000
Das Alte Zollhaus und seine Nachbargebäude
Die drei Häuser stehen auf den Fundamenten der Westseite der mittelalterlichen Stadtmauer.
Haus ganz rechts ist heute das Wirtshaus „Alte Stadtmauer“.
Foto etwa 1890)
In etwa zum gleichen Zeitpunkt entstand diese Farbaufnahme vom Zollhaus und seinen Nachbargebäuden. Im Jahre 1903 erfand Adolf Miethe (1862-1927) ein Verfahren zur Herstellung einfacher Farbaufnahmen. Seine Dreifarbenfotografie nach der Natur konnte durch Verwendung dreier Farbfilter unbewegliche Objekte in Farbe darstellen. Das aufwändige und unnatürliche Nachkollorieren von schwarz-weiß-Fotos zur Simmulation von Mehrfarbigkeit in der Fotografie verlor somit an Bedeutung.
Ich bin im Besitz einer am 20.4.1906 abgestempelten Ansichtskarte mit dem identischen Bildmotiv. Die Erstellung dieses Miethe-Farbfotos kann somit recht exakt eingegrenzt werden auf den Zeitraum zwischen frühestens1903 und nicht später als das Frühjahr 1906.
Gut zwanzig Jahre später (Mitte der 1930er Jahre) steht hier vor dem Zollhaus ein einachsiger Karren – Jahrhunderte lang das wichtigste Transportgerät der Moselaner. In zwei Fenstern hängen Hemden zum Auslüften. Gewaschen wurde die Kleidung vor knapp hundert Jahren sehr viel seltener als wir es heute kennen. Einfaches Lüften musste hier mitunter Wochen lang genügen. Von den vier Häusern rechts des Zollhauses wurden die beiden hinteren schon über den Baugrund der ehemaligen Stadtmauer moselseitig verlängert. Die beiden vorderen Gebäude standen hinter der Stadtmauer. Die vorgelagerten Anbauten bzw. Terrassen nutzten an dieser Stelle den Baugrund der niedergelegten westlichen Stadtmauer. Das hellverputzte Gebäude besitzt eine abgemauerte Mistkaule. Hierin entleerte man Mist, Gülle, Essensreste etc. Bis in die 1950er Jahre besaß nahezu jedes Beilsteiner Anwesen solche Mistkaulen.
Nocheinmal zwanzig Jahre später zeigt sich das Gebäudeensemble an der Mosel im Jahre 1954 in dieser Art.
Das Zollhaus besitzt zwischenzeitlich giebelseitig eine Toreinfahrt. Das hellverputze Haus, rechts vom Zollhaus gelegen ist von besonderem Interesse.
Es handelt sich um einen Neubau, der sich wesentlich vom Vorgängerbau (dargestellt auf den beiden Fotos aus den 1910er und 1930er Jahren) unterscheidet und erst kurz nach dem 2. Weltkrieg hier errichtet wurde.
Im Sommer 1949 wurde das Vorgängergebäude in Handarbeit abgetragen.
Das folgende Foto bildet hier während der Abrissarbeiten nur noch Reste der Fensterfront ab.
Im hinteren Teil des Hauses stand zu diesem Zeitpunkt noch ein dreistöckiger Fachwerkteil.
Erst fünf Jahre später war das neue Gebäude im Rohbau nahezu fertig gestellt.
Diese Abbildung gibt den Zustand im Juni 1954 wieder.
Die Fenster sind noch nicht eingesetzt, die Giebelwand im Dachstuhl ist noch unvollständig. Zwei Zimmerleute auf dem Dachstuhl sind mit dem Setzten der Dachsparren beschäftigt.
Das Untergeschoss bzw. der Kellerbereich wurde offensichtlich vom Vorgängergebäude übernommen. Das wurde in Beilstein bei Hausneubauten immer mal wieder so gemacht.
Hauskeller sind deswegen oftmals viel älter als die Häuser, die auf ihnen stehen.
Ein zweiter Blick lohnt sich allemal.
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Vom offenen Bachlauf zum „Touristenboulevard“ – die Bachstrasse
Ehemaliges Osttor der mittelalterlichen Stadtbefestigung.
Bis in die 1950er Jahre eingeschossige Überbauung (heute dreigeschossig).
Die östliche Stadterweiterung Beilsteins und die damit einhergehende Aufgabe der Stadtmauer in ihrer fortifikatorischen Funktion hatte zwei Ursachen: Zum einen die Großbaustellen Kloster und Klosterkirche (1680er und 1690er Jahre), die nur außerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung einen geeigneten Bauplatz fanden.
Zum anderen schritt die militärtechnische Entwicklung voran. Es wurden Kanonen entwickelt, denen eine mittelalterliche Stadtmauer nicht standhalten konnte.
Schon die Ereignisse des 30 jährigen Krieges mit der Besetzung spanischer und schwedischer Truppen zeigte den Beilsteinern wie sinnlos ihre Stadtmauer geworden war.
Im Hintergrund ist eine Gruppe von Schrötern erkennbar, die ein Fuderfass aus einem Weinkeller schrötern ( bedeutet mit Hebelwerkzeugen heraus transportieren).
Heute befindet sich in diesem Keller die Vinothek des Weingues Otto Görgen
Zwischen dem Weinkeller der heutigen Vinothek und dem Fachwerkhaus auf der rechten Seite der Straße ( heute Ferienhaus „Haus kein Moselblick“) besteht im Jahre 1954 noch eine Baulücke mit einem kleinen Gärtchen und einem recht hohen Baum darin.
Das dürfte zu dieser Zeit im Beilsteiner Ortskern der einzige Baum gewesen sein.
Aber schon zwei, drei Jahre später wurde diese Baulücke mit einem Neubau geschlossen.
Der Baum mochte der Besitzerfamilie Boos wahrscheinlich einen ganzen Winter lang eine warme Wohnstube bereitet haben.
Das Ost-Stadttor diesmal von der anderen Seite – der Ostseite – aus gesehen.
Alle drei Häuser, die auf dem Osttor bzw. auf der Stadtmauer stehen sind heute dem Neubau gewichen.
Die beiden rechten Häuser wurden um die Jahrhundertwende von den Brüdern Jobelius bewohnt.
Der eine Winzer, der andere Küfer.
(Foto um 1900)
Küfer ist eine spezielle Variante des Fassbinders:
Fertigung und Reperatur von Weinfässern, Pflege und Unterhaltung der gelegten Fässer und ihres Inhaltes.
Die drei hinteren Häuser sind dem Neubau der 1960er Jahre gewichen.
Das vordere Haus besteht nur noch in der Außenfassade zur Schloßstraße hin und in Teilen des Satteldaches.
(Foto um 1930)
Vom exakt gleichen Standpunkt aus entstand rund zwanzig Jahre später (etwa 1950) diese Fotografie.
Lediglich durch einen geringfügigen Rechtsschwenk der Kamera hat dieser Fotograf ein sehr viel interessanteres Motiv auf den Film bannen können.
Unterhalb des Felsmassives, auf dem das Kloster errichtet wurde, haben vermeintlich mehrere Generationen der Küfer Familie Jobelius ihre Werkstatt auf insgesamt fünf Ebenen errichtet.
Die gemauerten Terrassenebenen lassen an einigen Stellen den gewachsenen Schieferfels hervorscheinen.
Nur durch den Bau der Terrassenflächen war man in der Lage auf dem bestehenden Felsen ein Höchstmaß an Bau- und Arbeitsfläche zu errichten.
Diverse Gegenstände verweisen recht eindeutig auf das Küferhandwerk der Jobeliusfamilie.
Zum Handwerk des Küfers/ Bötchers möchte ich an dieser Stelle auf eine sehr schöne und nützliche Recherche Internetseite verweisen: http://berufe-dieser-welt.de/die-boettcher/
Was das Baujahr angeht – kann ich nur eine Vermutung anstellen.
Mit der Großbaustelle Kirche und Kloster ab 1687 wurde es wichtig den Bauplatz auch von Osten zu erschließen.
Den Bau der Klosterstrasse in dieser Zeit halte ich für wahrscheinlich und dieser neue Weg mußte den Vorderbach ja überqueren.
Somit würde ich den Bau der Brücke an dieser Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit auf die 1680er Jahre datieren.
Der Bach fließt auch heute noch unter der Brücke hindurch. Bei starken Regenfällen ist das Rauschen hinter der eisernen Türe eindeutig zu vernehmen.
Bis zu diesem Zeitpunkt verlief der Bach über eine Länge von etwa sechs Metern offen hinter einem eisernen Geländer.
Er diente hier als Viehtränke und in den Sommermonaten als eine Art „vormodernes Spaßbad“ für die Beilsteiner Kinder.
Das Foto (Aufnahme etwa 1920) zeigt am Abschluß des Metallgeländers einige hölzerne Schöpfgefäße. Hier an der untersten Treppenstufe wurde der Bachlauf dann unter das Niveau des Straßenpflasters geführt.
Richtung Mosel fließt der Bach seit den 1880er Jahren unterhalb der Straße in einer unterirdischen Röhre…..
Dieses Foto von etwa 1890 zeigt, dass der Bach in der Regel oberhalb des Wasserspiegels in die Mosel eingeleitet wurde.
Die mutigeren Beilsteiner Kinder haben sich immer mal wieder den Spaß gegönnt den unterirdischen Bach von der Brücke aus
(dort gab es bis Anfang der 1960er Jahre einen offenen Einstieg)
bis zum Moselufer hin zu durchlaufen.

Beilsteiner Katasterplan aus dem Jahre 1869
Das folgende Foto wurde um 1900 von der Brücke aus Richtung Mosel aufgenommen
Am Rande des Hofes eine niedrige Mauer zur Strasse hin.
Auch dieses Haus besaß, wie nahezu alle Häuser im Ort eine abgemauerte Grube bzw. Mistkaule, wo der Mist der Nutztiere, Essensreste, Fäkalien u.a. abgelagert wurde.
Bei der Aufnahme dieses Fotos,
rund 20 Jahre später,
stand der Fotograf nun unterhalb der Brücke – genau zwischen meinen beiden Häusern „Haus kein Moselblick“ und „Altes Spukhaus“ auf der oberen Bachstrasse.
Ein Blick von der oberen Bachstraße in Richtung Marktplatz. Das Bild läßt erahnen, wie hart und kärglich die Lebensbedingungen an der Mosel vor 100 Jahren waren. (Foto etwa 1890)
Die Hirschs waren jüdischen Glaubens und betrieben im Untergeschoss eine koschere Metzgerei.
Auf der rechten Seite der Straße führte eine Art Rampe zum Küfer Jobelius und erleichterte somit den Abtransport von Fässern. Im Vordergrund rechts zu erkennen: Ein Basalt-Rundbogengewände, welches den Eingang zu einem kleinen Gärtchen bildete.
Das Gewände war mit Engelsköpfen ornamentiert. Inwieweit das Grundstück mit Kirche oder Kloster in Verbindung stand kann nur vermutet werden.
Die komplette ursprüngliche Bebauung oberhalb des Osttores und hier rechts der Bachstraße gelegen, ist leider vor einigen Jahrzehnten weggerissen worden. Ein dreigeschossiger Wohnbau, Schuppen und Garagen verdrängten dieses einmalige Ensemble aus dem 17. Jahrhundert. (Foto etwa um 1900)
Links neben dem Torbogen ein zweiachsiger Leiterwagen, der zumeist von einer Kuh gezogen wurde. Davor ein einachsiger Karren, indem seltener eine Kuh eingespannt war, zumeist wurde die sogenannte Karr von Menschenhand geschoben. Die Karr war jahrhundertelang das wichtigste Transportmittel in den Winzerdörfern an der Mosel, so auch in Beilstein.
Hinter dem Torbogen zerteilt das Haus Kölzer die Straße.
Linker Hand führt sie auf den Marktplatz, zur Rechten verengt sie sich auf eine Breite von mitunter nur 2,10 Metern.
(Aufnahme etwa 1920)
Die ältere Dame ist offensichtlich damit beschäftigt mittels eines Reisigbesesns diesem Rinnsal Vorschub zu leisten und es dem darunter liegenden Nachbarn zuzuführen.
Der Fachterminus für diese Vorgehensweise lautet St. Floriansprinzip.
In der rechten Hauswand sind zahlreiche Riefen im Putz zu erkennen.
Jahrhundertelanges Durchzwängen mit großen, breiten Leiterwagen durch diesen sehr schmalen Engpass haben ihre deutlichen Spuren hinterlassen.
(Aufnahme etwa 1900)
Von Leiterwagen und anderen Gefährten
Am Ende des schmalen Durchgangs zwischen Zehnthaus und Bürgerhaus steht übrigens ein Karr mit aufmontiertem Faß – zum Transport von Flüssigkeiten.
Das Einspannen einer Kuh bei dieser Transportaufgabe
(aufgenommen um 1920 vor dem Zollhaus in Beilstein)
dürfte für den Jungen davor eine kluge Entscheidung gewesen sein.

Aufnahme um 1900
Gezogen wurde er entweder von einem Pferd, zumeist aber von einer Kuh.
Beilsteiner Winzer hatten vor hundert Jahren kaum die Mittel sich ein Pferd zu kaufen.
(Aufnahme etwa 1930 vor dem heutigen Hotel Villa Beilstein)
Die Heuernte, die hier hoch aufgeladen durch das Osttor bugsiert wird, dürfte für die Familien und deren Viehhaltung in der oberen Bachstrasse bestimmt gewesen sein.
(Aufnahme um 1930)
Diese robusten zweiachsigen Wagen wurden von den Beilsteinern für schwere und große Güter benutzt, wie Holzstämme, Steine, Erde usw. Hier auf der Fotografie ( etwa 1910-1920) ist ein solcher Wagen bei der Traubenlese im Einsatz.
Die Wagen konnten nicht von Menschenhand gezogen werden.
Hier mußte eine Kuh, besser noch ein Ochse ran.
Das ist auf dieser Abbildung (datiert Oktober 1938) nun der Fall.Das Ochsengespann, welches hier die Beilsteiner Bachstraße hochzieht, soll offensichtlich anschließend etwas sehr Schweres ins Dorf zurückbringen. Im Monat Oktober dürfte es sich wahrscheinlich um eine oder mehrere Traubenbütten handeln.
Eine solche vollgefüllte Traubenbütte bildet dieses Foto aus den 1930er Jahren ab.
Die eingespannte Kuh hat hier den schweren zweiachsigen Wagen auf die Fähre gezogen.
Es handelt sich offensichtlich um in Beilstein gelesene Trauben, die in Ellenz weiter verarbeitet werden sollten.
Diese Aufnahme zeigt eine Reihe von Winzern an der Moseluferstrasse während der Traubenlese.
Drei der schweren Fuhrwerke besitzen auf den Bütten je eine Traubenmühle.
Das Lesegut wird sofort durch eine Stachelwalze gepresst und somit die Trauben vom Stielgerüst entrappt (abgetrennt).