Mit 1000 Bildern durch 700 Jahre Beilsteiner Geschichte 3

Das nördliche Stadttor

Stadtinnenseite des Nordtores / Nahsicht

Stadtinnenseite des Nordtores / Fernsicht

Ein überbautes Tor im alten Stadtkern (am Fuß der Klostertreppe):

Die Theorie, daß Beilstein ein inneres und äußeres Nord-Stadttor besaß, ist wohl nicht haltbar. Dieses Tor erklärt sich durch den Platzmangel und die enge Bebauung in der Altstadt, die jeden Quadratmeter überbaute.

Das wirkliche nördliche Stadttor ist im Hintergrund zu erkennen. Zwischen diesen beiden Toren erstreckte sich in Beilstein das jüdische Wohnviertel mit der Synagoge.
( Foto etwa um 1900)

Äußeres nördliches Stadttor, diesmal Blick stadteinwärts.

Dieses Foto (Datierung: Juli/ August 1932), aufgenommen exakt am gleichen Standort, wurde mir vor einiger Zeit von einem Beilsteiner Gast übermittelt. Es bildet eine Gruppe von jungen Frauen bzw. Mädchen ab, die im Spätsommer 1932 in Beilstein wohl einige ausgelassene Tage zugebracht haben und höchstwahrscheinlich in der Jugendherberge übernachteten.

Zu sehen ist der Beilsteiner Winzer Edmund Kochems, der scheinbar unbeteiligt wahrnimmt, wie eine Trupp junger Frauen sich mit seinem Holzkarren vergnügt. Aber wir sind im Jahre 1932: In diesem Jahr wird Deutschland auf eine Arbeitlosigkeit von 6 Millionen Menschen zusteuern, Der Weinjahrgang 1932 wird an der Mosel eine große Missernte mit einhergehender Not für die Winzer bringen. Hitlers Nazipartei wird zur stärksten Partei im Reichstag und wird kaum ein halbes Jahr nach dieser Aufnahme den Reichskanzler stellen – und dann dieses Foto von ausgelassenen, selbstbewußten jungen Frauen, die anscheinend mit all dem nichts zu tun haben! Welch ein Anachronismus.

Läßt man sich auf die Situation ein – man hört fast das vergnügte Lachen der Gruppe und möchte sie fragen “ Na wie war es denn neulich bei eurem Beilstein Urlaub?“ Aber die Szene ist fast ein Jahrhundert her und niemand daraus lebt noch, selbst wenn es uralte Frauen geworden wären ….

Beilstein eine Filmkulisse – Heinz Rühmann 1936 im Sann´sche Haus

Dieses uralte Fachwerkhaus – vormals gelegen zwischen den beiden nördlichen Toren – steht seit 1992 leider nicht mehr in Beilstein.

Über Generationen war es ebenso wie das zur Rechten angrenzende Wohnhaus Eigentum der Weinbergsbesitzer Kochems.

Die letzte Generation Josef und Susanne Kochems verstarben in den 1950er Jahren. Die Beilsteiner nannten die Häusergruppe deshalb „das Sannsche-Haus“.

Das dreigeschossige Fachwerkhaus wurde zuletzt als Lager für Weinbergsgeräte, Heu und Viehfutter genutzt.

Im tonnengewölbten Bruchsteinkeller wurde Vieh gehalten.

Das Ehepaar Kochems am Tag ihrer Hochzeit vor der Beilsteiner Pfarrkirche. (Aufn. 1920er Jahre)

Es fällt auf, Susanne Kochems trägt ein schwarzes Brautkleid.

Mode und Brauchtum rund um das Brautkleid unterlagen in den vergangenen Jahrhunderten einem Wandel. Im Mittelalter trugen begüterte und „betuchte“ Adelige und Bürgerinnen am Hochzeitstag kostbare, bunte Stoffe.

Durch den Einfluss spanischer Mode wurden ab dem 16. Jahrhundert schwarze Kleider modern.

Diese Mode durchdrang allmählich auch ärmere Schichten und Klassen, d.h. auch die ländliche Bevölkerung.

Die Winzerfrauen an der Mosel besaßen bis ins 20. Jahrhundert hinein oftmals nur ein einziges kostbares schwarzes Kleid, welches zu allen möglichen Feierlichkeiten oder an Sonntagen getragen wurde.

Ein weißes Brautkleid nur für einen einzigen Tag anzuschaffen war für die allermeisten Familien in den Moseldörfern undenkbar. So trugen die Bräute ein schwarzes Brautkleid, welches auch vor und nach der Hochzeit genutzt werden konnte.

Auch praktische Erwägungen spielten hier eine Rolle. Schwarze Stoffe waren preiswerter und auch leichter zu reinigen; nicht unwichtig in Zeiten ohne Besitz einer Waschmaschine.

Um das Jahr 1900 wurde es dann üblich zumindest einen weißen Schleier über das schwarze Kleid zu werfen.

Das vorgestellte Foto vom Beilsteiner Kirchvorplatz stellt hier ein schönes Beispiel dar für die sich wandelnde Mode vor rund hundert Jahren.

Das rechts angrenzende Wohnhaus (auf diesem Foto von 1936 aus dem Rühmann Film „Wenn wir alle Engel wären“ in der linken Bildhälfte zu erkennen) war im inneren wohl recht herrschaftlich.

Eine Art Saal im 1. Stock und eine große Flurküche ließen das Haus zu etwas Besonderem in Beilstein werden.

Es war sicherlich kein Zufall, daß große Teile des Rühmann Filmes in diesem Haus abgedreht wurden.

 

Über eine alte Außentreppe, gemauert aus Schieferbruchsteinen, die skurilerweise heute noch komplett vorhanden ist, trat man an eine schwere eicherne Eingangspforte. (Foto etwa 1890-1900)

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Durch diese riesige eicherne Eingangs-Kassettentüre trat man direkt in die geräumige Flurküche ein. Die uralte Türe konnte ein Nachbar beim Abbruch des Hauses retten. Er schenkte mir seinen Schatz.

Die Türe ist heute Bestandteil der Theke in der hauseigenen Kellerkneipe meines „Alten Spukhauses“. (Siehe hierzu auf meiner home page Rundgang durchs Haus / „Altes Spukhaus“).

 

Das komplette Wohnhaus und der dahinter liegende Hof sind mit einem, auch noch heute nach dem Abriss vorhandenem, 20 Meter langen Tonnengewölbe unterkellert.

Hinter dem Haus gab es einen kleinen Hof, der an den Felsen des Rammerberges angrenzte.

In den Fels höchst sauber und exakt hineingemeißelt eine kleine Grotte, die auch heute noch etwa vier Meter unter den Rammerberg führt.

Am Bildrand rechts unten ( mit hochaufsteigendem Außenkamin): Das rund 20 Meter lange Sann´sche Wohnhaus um 1900 vom Kirchvorplatz aus fotografiert
Beide Häuser standen viele Jahre lang leer. Versäumte Dachreperaturen und damit eindringende Nässe verschlechterten die Bausubstanz derart, daß das Erdbeben vom Sommer 1992 die Häuser akut mit Einsturz bedrohte. Die jetzigen Besitzer planen einen Wiederaufbau der Häuser, der sich in der Gestaltung der Außenhaut an den historischen Vorgängerbauten orientiert. Hoffentlich finden sie für dieses lobenswerte Vorhaben recht bald den nötigen Mut.

 

Weitere Bilder aus dem Rühmann Film „Wenn wir alle Engel wären“ hier

Vom Dorfanger zur Beilsteiner „Flaniermeile“

Als Beilstein 1316 vom damaligen König Ludwig dem Bayern mit königlicher Verfügung das Marktrecht für einen dienstäglichen Wochenmarkt verliehen bekam, war der Baubeginn der Stadtmauer und der ersten Häuser im Ort gerade einmal sechs Jahre her. Die moselseitige westlicheStadtmauer wurde etwa 50 Meter vom Moselufer entfernt errichtet. Damit entstand zwischen der Stadtmauer und dem Ufer eine größere Freifläche, gelegen außerhalb der Stadtbefestigung. Die entstandene Fläche dürfte zu Beginn der Beilsteiner Stadtgeschichte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorgesehen worden sein als Dorfanger , mitunter auch mit dem Wort „Plan“ bezeichnet. Der Dorfanger war in vielen Dörfern ein gemeinschaftlich genutzter Platz. Viehaltung, Schlachtungen, gemeinsame Feste und Versammlungen fanden hier statt, mitunter auch Märkte.

Die damalige nutzbare Fläche für den Anger/ Markt habe ich zur Veranschaulichung auf diesem Katasterplan (von 1869) rot markiert. Das Alte Zollhaus stand zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch nicht.

Das Areal wurde durch den vorgelagerten Friedhof (heute Terrasse des Hotel Haus Lipmann) nahezu halbkreisförmig begrenzt und man bezeichnete es lange mit dem Begriff Gestade, was seine Lage direkt am Moselufer lokalisierte. Es war stark abschüssig und der Untergrund dürfte äußerst uneben und felsig gewesen sein. Mit dem raschen Bedeutungszuwachs Beilsteins und dem wöchentlichen Marktgeschehen auf dem Plan nach 1316 wurde die Unzulänglichkeit des Platzes schnell deutlich. So entschied der damalige Herrscher auf Beilstein Johann von Braunshorn schon 1322 den Markt hinter die Stadtmauer zu verlegen, an den Ort wo er sich auch heute noch befindet. Dabei erhielt sich der Begriff „auf´m Plan“ als Bezeichnung für den Marktplatz und wird von einigen Beilsteinern bis heute verwendet. Drei weitere Gründe dürften diese Entscheidung maßgeblich bestimmt haben: Unregelmäßig auftretende Hochwässer haben den Wochenmarkt immer wieder verhindert. Des Weiteren konnten auswärtige Händler beim Passieren des Stadttores besser kontrolliert und damit Steuer und Abgaben sicher berechnet werden. Vielleicht der wichtigste Punkt: Die Einnahme von Abgaben und Steuern am Markttag außerhalb der Stadtgrenze am Gestade dürfte für Johann von Braunshorn rechtlich ein Problem gewesen sein. Unterstand der wichtige Verkehrsweg Mosel und ihr Uferbereich zu jener Zeit doch dem Trierer Landesherren Balduin (Erzbischof und gleichzeitig Fürstbischof des Kurfürstentums Trier).

In der Folge verlor das Areal am Ufer an Bedeutung. Einige Funktionen eines Angeres , wie das Halten von Vieh etc. haben wohl noch lange ihre Bedeutung beibehalten. Dass der Platz für die Ansammlung größerer Menschenmengen geeignet war, unterstreicht die Anekdote mit dem Esel und dem Fürstbischof aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Der „Plan“ hat erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, d.h. zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine durchgängige Pflasterung erhalten.

Die Aufnahme bildet den Zustand etwa im Jahre 1860 ab. Nach wie vor besitzt das Areal ein starkes Gefälle zur Mosel  hin und ist noch nicht mit Kopfsteinpflaster befestigt.

Auch die Aufnahme etwa aus der Zeit um 1875 zeigt noch einen völlig ungesicherten Bereich. Über Geröllhalden  suchen sich der Oberbach und der Unterbach  ihren Weg in die Mosel. Das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaute Zollhaus hat den ursprünglich nutzbaren Raum am Moselufer um einiges verringert.

Um das Jahr 1890 erfolgen  am Moselufer umfangreiche Erdarbeiten. Durch Erdaufschüttung wird eine stabile Moseluferstraße ermöglicht. Das  abschüssige Gelände zwischen Uferstraße und Stadtmauer  wird ebenfalls aufgeschüttet und planiert und der offen verlaufende Bach  in einem Tunnel unter das Bodenniveau verlegt.

Aber selbst um das Jahr 1900 besteht die Pflasterung lediglich in Teilbereichen. Größere Flächen sind noch nicht befestigt.

 

Hier blicken vor der gleichen Häusergruppe in den 1920er Jahren zwei Kinder den Fotografen etwas verloren an.

An dieser Stelle diente der Vorplatz seinerzeit zum großen Teil der Lagerung und Zerkleinerung von Brandholz.

Jeden dritten Sonntag nach Ostern fand auf dem Vorplatz die alljährliche Kirmes statt. Toni Bauer als langjähriger Bürgermeister berichtet in seinen Lebenserinnerungen aus den zwanziger Jahren davon, dass die Beilsteiner das ganze Jahr für dieses Volkfest sparten. Ein großes Zelt wurde abwechselnd von den Gastwirten Rengel und Bauer aufgestellt und nahm fast den ganzen Platz am Moselufer ein. Neben den Beilsteinern besuchten viele Menschen aus Bruttig, Ellenz und Briedern die Kirmes. Der Alltag im Ort war geprägt durch Arbeit und Mühsal, für Freizeit und Vergnügen blieb nicht viel Zeit. Die Beilsteiner Kirmes bot hier eine ersehnte Abwechslung. Auch ihrer Funktion als hiesiger „Heiratsmarkt“ sollte nicht unterschätzt werden. Die Fotografie bildet das riesige Festzelt am Sonntag, dem 21. April 1929 ab.

 

 

 

Mitte der dreißiger Jahre ist nunmehr der gesamte Platz und auch der Anfangsbereich der Bachstraße mit großformatigen Pflastersteinen aus Grauwacke befestigt.
(Aufnahme beider Fotos um 1935)

 

 

Wie man sich die unbefestigte, noch nicht gepflasterte Bachstraße vorstellen darf, gibt dieses Aquarellgemälde, datiert auf den 27. August 1874 wieder.

Damals trug sie noch nicht den Namen Bachstraße, es handelte sich einfach nur um den offenen Bachlauf des Vorderbaches, nach starken Regenfällen oder nach der Schneeschmelze im Hunsrück nahezu unpassierbar.

An trockenen Sommertagen, wie hier im August war er für Menschen und Fuhrwerke jedoch nutzbar. Zu betrachten ist der Vorderbach am östlichen Stadttor, von der stadtauswärtigen Ostseite her gesehen.

Deutlich sind die Jahrhunderte alten Radspuren im felsigen Untergrund zu erkennen.

Für den aufkommenden Moseltourismus war der Ausbau des Areals wichtig. Der Massentourismus an der Mosel nahm seinen Beginn in der KDF- Bewegung der Nazis zwischen 1935-1939. Dieser wurde jedoch noch über Züge und Schiffe organisiert. Der Individualverkehr mit privaten Autos begann erst nach dem zweiten Weltkrieg. Das sehr seltene Vorkriegsfoto zeigt einen privaten PKW beim Übersetzen der Mosel. (Aufnahme zwischen 1933 und etwa 1940)

 

Nur eine verschwindend geringe Minderheit der Deutschen konnte sich in den 1930er Jahren ein privates Auto leisten.

An jene kleine Käuferschicht war diese Werbeanzeige der Firma Opel aus dem Jahre 1938 gerichtet.

Ein Opel Cabriolett als Sinnbild des Fortschritts steht hier vor dem spätmittelalterlichen Rundturm der Lipmann´schen Terrasse nahe des Moselufers.

Eine ungewöhnliche ästhetische Melange, die aber auch pars pro toto stand für das permanente, teilweise höchst skurrile Bemühen der Nazis Errungenschaften der Moderne zu verknüpfen mit mittelalterlichen, vorzugsweise „germanischen“ Fundamenten.

Diese Aufnahme zeigt den seinerzeit noch autofreien Vorplatz kurz vor dem 2. Weltkrieg, etwa um 1939/40. Vor dem Gasthaus Rengel parken zwei altertümliche Vorkriegsmodelle. Es ist anzunehmen, dass diese auswärtigen und betuchten Beilsteinbesuchern gehörten.

 

Ab Mitte der 1950er Jahre nahm der Moseltourismus einen Aufschwung und der Vorplatz wurde zunehmend wichtig um den Autos der Gäste Raum zu bieten.

Hier zwei frühe Fotos aus den Anfängen des Beilsteintourismus
(beide Aufnahmen: 1954).

 

Um das Jahr 1960 hatte sich die Anzahl der parkenden Autos an dieser Stelle bereits verdoppelt.

Auf der linken Seite der eisernen Leitplanke führte eine gepflasterte Rampe zum Fähranleger.

 

Im Winter 1961/62 gab es im Ort umfangreiche Arbeiten an der Kanalisation. Neue Wasserleitungen und Abwasserrohre mussten verlegt werden.

Der Vorderbach, unterhalb der Bachstraße verlaufend, wurde in eine moderne Stahl-Beton-Röhre gebettet, für diese mussten teilweise Schächte von bis zu 2,50 Meter in den Fels gestemmt werden.

Diese Fotografie vom Frühjahr 1962 bildet einen Teilbereich des Vorplatzes ab, unter dem kurz zuvor die Betonröhre Richtung Mosel verlegt wurde.

Im Hintergrund sind noch zwei Betonröhrenelemente mit einem Durchmesser von 1,50 Metern zu erkennen. Der Untergrund war hier zum Zeitpunkt der Aufnahme lediglich geschottert und wurde noch im Sommer 1962 wieder mit Pflastersteinen belegt.

 

 

 

Nur wenige Jahre darauf, 1967 war es bereits erforderlich mit weißen Markierungen auf dem Straßenpflaster den Autos zu zeigen, wo sie hingehören.

 

Nur fünf Jahre darauf, 1972 war klar, wem der Raum nun endgültig gehörte.

Der Individualverkehr der zahlreichen Beilsteiner Touristen nahm den kompletten Vorplatz ein und machte ihn zum reinen Parkplatz.

 

 

Im Mai 1998 wird das komplette Areal für eine einzige Woche nochmals in den Zustand von etwa 1830 zurück versetzt.

Die englische BBC hat für die Produktion des mehrteiligen Spielfilms Vanity Fair in Beilstein das Straßenpflaster unter einer Lage Sand versteckt.

(Aufnahme mit mir als Komparsendarsteller vom 18.5.1998)

2001 wurden in Beilstein große Teile des Kopfsteinpflasters neu verlegt.

Im Zuge dessen hat man auch den Vorplatz an der Mosel neu gestaltet.

Alle parkenden Autos verbannt , den Platz mit Blumenkübeln und Bänken verschönert.

Vor allem an schönen Sommerabenden lädt er nun ein zum Verweilen und Flanieren und hat damit wohl seine endgültige Bestimmung erlangt.

Von Handel und Wandel – der mittelalterliche Marktplatz

Eine der wichtigsten Plätze, die eine mittelalterliche Stadt  ausmachten, waren die Marktplätze. Als Johann II von Braunshorn zu Beginn des 14. Jahrhunderts daran ging Beilstein zur Stadt auszubauen, war die Verleihung des Marktrechtes 1316 durch den deutschen König Ludwig IV, den Bayern ein wichtiges Etappenziel.

Könige, später auch die teritorialen Landesherren verliehen die Marktrechte, die verbunden waren mit dem sogenannten Marktfrieden. Dieser gewährte Stadtbewohnern, Marktbeschickern und Marktbesuchern durch die städtischen Organe Schutz und Ordnung während des Markttages. Maße und Gewichte wurden überwacht. Preise und Münzen kontrolliert, Größe und Standort der Verkaufsstände reglementiert.

Dafür fielen Johann II die nicht unbeträchtlichen Marktgebühren, Zölle und Schutzgelder zu. Fand der Wochenmarkt zunächst jeden Dienstag am Moselufer statt, wurde 1322 der jetzige Marktplatz hergerichtet.

Hierzu wurden zwei Häuser niedergelegt, die erst wenige Jahre zuvor erbaut wurden. Die Verlegung des Wochenmarktes hatte zwei Gründe: Zum einen machte man sich unabhängig vom Moselhochwasser, zum anderen war eine Kontrolle der Händler und Waren innerhalb der Stadtmauer weit einfacher. Der dienstägliche Markt machte Beilstein zum wirtschaftlichen Mittelpunkt der umliegenden Dörfer. Hier verkauften Bauern ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse und kauften im Gegenzug Gewerbeerzeugnisse ein. Ein sogenanntes „Stapelrecht“ verpflichtete durchziehende Kaufleute ihre Waren auch hier anzubieten. Durch die Anwesenheit von fremden oder hiesigen Händlern erhielten Handwerker den Anreiz sich an einem Marktort niederzulassen. Handel und Gewerbe nahmen einen Aufschwung. Die Braunshorn zogen in Beilstein Nutzen aus einem steigenden Steueraufkommen.
Fotografie etwa 1910

Auf dem Foto sehen wir das ehemalige Metternich`sche Amtshaus auf dem Marktplatz, bis 1794 Kellnerei (Finanzverwaltung) des letzten feudalistischen Herrschergeschlechtes auf Beilstein – den Metternichs.

Nach Enteignung des fürstlichen Besitzes durch das revolutionäre Frankreich, wird das Haus 1795 von der Familie Lipmann gekauft und ist seitdem Gasthaus.

Das Gebäude links ist die ehemalige Pfarrkirche, die 1805 profaniert wurde und dann teilweise als Kelterhaus, Schulgebäude und als Lehrerwohnung diente.
(Foto etwa 1910)

Eine weitere Funktion erhielt die alte Pfarrkirche mit dem Einbau des Backes nach 1805. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden in vielen Teilen Deutschlands gemeinschaftlich genutzte Backhäuser errichtet.

Zum einen entwickelte man zunehmend feuerpolizeiliche Verordnungen, die das Backen in den eigenen Häusern mit strengen Auflagen verband – zum anderen war das Anheizen des Backofens eine aufwendige Angelegenheit, die man gemeinschaftlich besser und ökonomischer regeln konnte.

Der Backraum wurde durch dieses kleine Fensterchen zum Marktplatz hin spärlich beleuchtet und belüftet. (Aufnahme etwa 1900)

 

So gab es auch in Beilstein lange Zeit einen Dorfbackes.

An einem bestimmten Wochentag wurde der Backes angeheizt.

Durch „Stöckchenziehen“ wurde die Reihenfolge ermittelt. Die erste Familie mußte den Backofen anheizen, die letzte Ihn von der Asche säubern.

Diese beiden Aufgaben waren natürlich wenig beliebt, daher der Losentscheid. Um Brotlaibe nicht zu vertauschen, gab es oft einen unverwechselbaren Brotstempel, der einer bestimmten Familie gehörte. Die Restwärme wurde im Herbst oft genutzt um Dörrobst herzustellen In den 1950er Jahren verlor der Beilsteiner Backes immer mehr an Bedeutung. Als Mitte der 1970er Jahre das Bürgerhaus umgebaut wurde, hat man leider nicht die sozialhistorische Bedeutung des Backes erkannt. Er landete, wie so Vieles , auf dem Schutt. Teile des eisernen Ofens stehen heute im Strimmiger Heimatmuseum. (Foto etwa 1950)

In diesem riesigen Gebäude -dem Zehnthaus- aus dem 16. Jahrhundert wurde der den Bauern und Winzern abgepreßte Zehnt (der zehnte Teil ihrer Jahresernte) eingetrieben und gelagert.

Das Gebäude ist mittels Schwibbögen mit der Pfarrkirche verbunden.

Beide Bauwerke sind im Dachstuhlbereich mit einem Laubengang verbunden.
(Foto etwa 1910)

Aus dieser Position sind die Schwibbögen noch besser zu erkennen. 

Auch ihre Funktion wird deutlich. Der Begriff kommt aus der Architektursprache.

Bögen/ Schwebebögen haben die Aufgabe Druck- und Schubkräfte bei Gebäuden abzuleiten.

Bei gotischen Kirchen beispielsweise kennen wir diese Funktionen in Form von Strebepfeilern und Strebebögen.

In Beilstein konnten sich Kirche und Zehnthaus bei den auftretenden Schubkräften mit Hilfe der Schwebebögen gegenseitig stabilisieren.

Auf der gegenüberliegenden Seite, der Westseite der Kirche (heute Bürgerhaus) übernehmen stabile Strebepfeiler diese Aufgabe.

Das Gebäude links war lange Zeit die Beilsteiner Jugendherberge.

Zwischen Jugendherberge und Zehnthaus schlängelt sich unterhalb des Schloßbergs ein schmales Gäßchen hoch, an dessen Ende die Ostseite der mittelalterlichen Stadtbefestigung verlief.

(Foto ca.1925)

Rund 40 Jahre vorher gab es auch an dieser Stelle noch keine Treppenstufen.

Der Höhenunterschied zwischen Marktplatz und Schloßstraße wurde über den blanken Schieferfels überwunden.

(Foto etwa 1880)

 

 

Ebenfalls in den 1880er Jahren wurde diese Alltagsszene auf dem Marktplatz festgehalten und bildet eine dreiköpfige Gruppe von Weinbergsarbeitern ab, die sich vor dem Eingang zum Zehnthauskeller befanden.

Das Bodenniveau dieses riesigen Weinkellers lag vor 140 Jahren rund drei Meter tiefer als der Marktplatz und wurde erst um 1900 aufgeschüttet auf die Höhe des Marktes.

Archivfoto W. Bauer

 

Links das noch unverputzte Haus Kölzer auf dem Marktplatz.

Zwischen diesem Haus und der ehemaligen Jugendherberge zieht sich die Bachstraße Richtung Osttor.

Oberhalb ist die sogenannte „Klosterburg“ zu erkennen – bis 1802 die Wohnung des Priors

 

Exakt an dieser Stelle entstand um das Jahr 1930 jenes Foto.

Auf dem Rücken trägt diese Beilsteinerin eine geflochtene Hotte.

Sehr gut zu erkennen ist auch, die zu der damaligen Zeit sehr schlechte Pflasterung des Marktplatzes.

Sie bestand aus Jahrhunderte altem Moselkiesel und kleinen unregelmäßig zugehauenen Grauwackesteinen.

Die Beilsteiner Jugendherberge wurde bis in die 1960er Jahre in diesem Haus auf dem Marktplatz betrieben.

An schönen Sommerabenden saßen die Kinder und Jugendlichen oft vor dem Gebäude auf den Treppenabsätzen.

Da wurde es mitunter auch schon mal ein wenig lauter, was die anderen Beilstein Touristen, z.B. im nahegelegenen Gasthaus „Zum Fährmann“ nicht wirklich begeistert haben dürfte.

Auf der linken Seite des „Hauses Kölzer“ lag das Gasthaus „Zum Fährmann“. Heute gehört dieses Gebäude zum Familienbetrieb „Gute Quelle“.

Hier eine Abbildung dieses Gasthauses auf dem Marktplatz aus den 1930er Jahren.

Die beiden Gebäudeteile sind heute zum Teil vom Putz befreit und man hat das Gefache größtenteils wieder freigelegt.

Auch der linke Teil des Gebäudekomplexes (Eckgebäude) war seinerzeit noch mit einer Putzschicht belegt. Fachwerkhäuser wurden insbesondere im 19. Jahrhundert aus Brandschutzgründen verputzt. In den letzten Jahrzehnten hat man das in Beilstein vielfach wieder rückgängig gemacht. Ein Beilstein Tourist wäre um das Jahr 1900 im Ort kaum auf ein offensichtiches Fachwerkhaus gestoßen. In dieser Zeit versteckten sich nahezu alle Fachwerkhäuser hinter einer Putzschicht. Etwas sehr Merkürdiges hätte der Beilstein Besucher hingegen um 1900 beim Gebäude der „Guten Quelle“ sehr wohl wahrgenommen – ein Teil des Satteldaches war aufklappbar.

Das hatte mit den ehemals jüdischen Besitzern zu tun. Die Ursache hierfür lag im jährlich wiederkehrenden Laubhüttenfest ( jüd. Sukkot- Fest), aber dazu später mehr…

Das gesamte Gebäudeensemble der „Guten Quelle“ war ehemals auch giebelseitig (zur Mosel hin) nahezu vollständig verputzt, ebenso die Fassade zur Bachstrasse hin.

Heute ist es der größte zusammenhängende Fachwerkkomplex in Beilstein.

Auch das Hotel Haus Lipmann war in seiner Schaufassade zum Marktplatz hin in den 1930er Jahren noch mit einer Putzschicht belegt.

Mittlerweile ist das sehr schöne Gefache aus dem 18. Jahrhundert wieder freigelegt.

Neben den Brandschutzgründen galten Fachwerkbauten lange auch als bäuerlich und ärmlich und man versteckte sie gerne hinter Stuck und Putz.

Diese Zeiten sind vorbei, heute steht Fachwerk für die meisten Moselgäste für Romantik, nichtzuletzt für die vermeintlich „gute alte Zeit“.

Architekturempfinden und Architekturgeschmack unterlagen und unterliegen immer schon dem wechselnden Zeitgeist.

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Vor der Hotelfassade sehen wir hier auf einer Aufnahme von etwa 1930 den seinerzeitigen Hotelbesitzer Sigmund Lipmann (1869-1932) am Steuer seines Wagens. Zu dieser Zeit dürfte er in Beilstein wohl der einzige Besitzer eines Automobiles gewesen sein.

Nur wenige Jahre später war die Fachwerkfassade oberhalb des Schwellenbalkens beim zweiten Stockwerk vom Putz befreit und die Beschriftung in altdeutscher geschwungener Frakturschrift gestaltet.

Auch dass der Name Hotel Lipmann gegen die Formulierung Alte Mosel Weinstuben ausgetauscht wurde dürfte den, zu dieser Zeit politischen (antisemitischen) Verhältnissen in Deutschland, geschuldet gewesen sein. (Foto 1936 – ca.1940)

Ob das Beilsteiner Bürgerhaus (bis 1805 Beilsteiner Pfarrkirche) in seiner Schauseite zum Marktplatz hin jemals steinsichtig war, läßt sich schwer beurteilen.

Heute ist die dem Marktplatz zugewandte Seite mit einer dünnen Putzschicht überzogen.

Die Westfassade (Richtung Mosel) und die Ostfassade (Richtung Zehnthaus) sind jedenfalls steinsichtig.

Die 1310 erbaute und im 18. Jahrhundert stark umgebaute Kirche ist (bis auf den Dachstuhl) komplett aus Stein errichtet, Brandschutz als Grund für einen Verputz entfällt somit als Argument.

Eine spätere und wahrscheinlich gewollte Nobilitierung des Bauwerkes, die den verwendeten „billigen“ Baustoff – gebrochener Schieferstein – versucht zu verbergen, dürfte hingegen eine Erklärung sein.

Für eine ursprünglich komplette Steinsichtigkeit der Pfarrkirche spricht, dass die Kirche zur Bauzeit ausschließlich über einen Eingang an der Westseite erschlossen wurde.

Der heutige Eingangsbereich vom Marktplatz war ursprünglich der Chorbereich. Unterhalb des Chores erstreckt sich auch heute noch ein Keller.

Dieser Keller war vom riesigen Weinkeller, der sich längsseitig unterhalb des kompletten Kirchenschiffes zog durch eine massive Mauer ohne Durchgang abgetrennt.

Der große Weinkeller war durch eine Längstonne eingewölbt, der kleine Keller unter dem Chorbereich hingegen durch eine Quertonne.

Dieser kleinere Keller war die Krypta der ehemaligen Pfarrkirche, die auch als Grablege für höher gestellte Personen in Beilstein genutzt wurde. Im christlichen Sterberegister Beilsteins finden sich im 17. und 18. Jahrhundert drei interessante Eintragungen, die auf die Nutzung der Krypta als Grablege verweisen:

1.) 11.11.1680 Damian Hartard Becker. Starb in der Nacht an Schlagfluß. Wurde in der Kirche da begraben, wo vor 22 Jahren R.P. Minersdorf Joh. begraben wurde.

2.) 5.10.1768 Mar. Angela Becker. Tochter des Kellermeisters. 4 Monate alt, wurde in der Krypta der Kirche beigesetzt.

3.) 11.12.1770 Joh. Bapt. Jos. Becker, 1 Jahr alt, Sohn des Kellermeisters, in der Krypta der Kirche beigesetzt.

Moselseitiges Eingangsportal der ehemaligen Pfarrkirche (heute teilweise vermauert, das ornamentierte Basaltgewände wurde ausgebrochen)
Foto (Teilausschnitt) entnommen aus einem stereoskopischen Doppelfoto (Entstehungsdatum um 1860)

Im heutigen Eingangsbereich (ursprünglich war das der Chorbereich) befindet sich oberhalb der ehemaligen Krypta heute noch im Boden ein Epitaph (Grabplatte) aus Basalt, mittlerweile ausgetreten und unleserlich. Die Westfassade war bis 1875 (dem Bau des Lipmann’schen Rittersaales) auch die wichtige Schauseite. Vom Moselufer blickte man über den Friedhof (heute Lipmann’sche Terrasse) hinweg auf die Westfassade mit dem ehemals vorhandenen Eingangsportal. Die Westfassade war weitesgehend steinsichtig. Der Friedhof wurde an diesem Ort bis 1790 mit Grabstätten belegt. Ab 1790 fand er seinen neuen Platz nördlich der Klosterkirche.

Wie der Beilsteiner Marktplatz die Künstler und Maler immer wieder inspiriert hat, zeigt nicht zuletzt dieses Gemälde von August von Wille aus dem Jahr 1883.

Es zeigt eine Szene mit französischen Soldaten, die es so 1883 seit rund 70 Jahren in Beilstein nicht mehr gegeben haben kann.

A. von Wille gibt hier eine Fantasieszene aus der Zeit der französischen Besetzung (1794-1815) wieder und bewegt sich damit künstlerisch im Genre der sogenannten Historienmalerei.

Auch verändert er die Bebauung auf dem Marktplatz ein wenig nach seinem Geschmack.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat sich A. von Wille bei seinem    Ölgemälde auf eine Vorzeichnung gestützt. Diese Vorzeichnung hat er rund zwanzig Jahre zuvor laut exakter Signatur und Datierung am 25. September 1863 in Beilstein angefertigt. Bis zur Erfindung vorgefertigter Ölfarben in verschließbaren Tuben (1841) war es für Maler nahezu unmöglich Plain-Air-Malerei (Freilichtmalerei) außerhalb ihrer Werkstätten zu verrichten. Der Ankauf von Farbtuben stellte auch einen gewissen Kostenfaktor dar, sodass etliche Künstler nach wie vor im Atelier nach ihren eigenen oder auch fremden Vorlagen arbeiteten. Die „erfundene Bebauung“ am linken Bildrand und die nicht erklärbare Vegetation am rechten Rand des später angefertigten Ölgemäldes verweisen recht eindeutig auf die Verwendung der teilweise ungenauen bzw. fragmentalen 1863er Skizze durch den Künstler. Den Einbau französischer Soldaten und damit der Verwandlung der Vorskizze in ein Historienbild lässt sich erklären mit dem verstärkten Interesse des deutschen Bürgertums an der Geschichte der sogenannten Befreiungskriege (1813-15). Eine Interesse, welches nach dem deutsch- französischen Krieg (1870/71) einen ungeheuren Aufschwung nahm.

Am darauf folgenden Tag, Samstag den 26. September 1863 war August von Wille offensichtlich noch in Beilstein und hat diese Vorzeichnung der Häuserfront am Moselufer angefertigt. Auch hier hat er erst 20 Jahre später (1884) auf seine Vorzeichnung zurück gegriffen zur Umsetzung zweier Versionen in Öl auf Leinwand.
Hätte er 1884 tatsächlich vor Ort nach der Natur (d.h. nach der Realität) gemalt, so hätte der 1875 errichtete Lipmann´sche Rittersaal den Blick auf die Westfassade der ehemaligen Pfarrkirche verdecken müssen.
Beide Ölgemälde von 1884 wurden als romantisierende Landschaftsbilder ausgeführt; belebt durch Fischerboot, Moselnachen und Personen am Ufer, einem Sujet, welches dem bürgerlichen Kunstgeschmack der gründerzeitlichen Epoche in besonderer Weise entsprach.