De Profundis (Auszug)

(…) Wie in Salems engen Gassen
Sind auch hier die Innensassen.
Zwischen Christen, Schmul und Bisik
Herzge, Eige, Levi, weiß ich
Simon, Marx und Hirschens Söhne
Daniel und manch Schöne,
Sei es Schickse oder Kalle
Isak, Aschlaume, Schlimme alle.
Sabel, Konnel, Handelsleute
Wohnen da all beisammen heute.
Bei 200 Christenseelen
Kannst Du 50 Juden zählen.

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Die Zeilen stammen auszugsweise aus einem längeren Klagegedicht (De Profundis) des Beilsteiner Pfarrers Ladislaus Stanislaus Ferdinand von Freyhold (1839-1919) aus dem Jahre 1888. Sie wurden 1905 vom Mesenicher Heimatforscher St. Weidenach wiederaufgefunden. Der Text wurde von ihm transkribiert, dabei ist es möglicherweise zu einigen Rechtschreib- und Orthografiefehlern gekommen, die ich unverändert gelassen habe.

Anmerkungen durch Rainer Vitz:

    1. Salem: Die Ortsbenennung Salem wurde gemeinhin als Synonym für das jüdische Jerusalem verwendet.
    2. Schmul: Der Name Schmul leitet sich vom jüdischen Vornamen Samuel ab. Laut dem deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Ausgabe 1896: „Schmul – Scherzname für einen Juden, entstellt aus dem Namen Samuel, in jüdischer Aussprache Schmuel.“ Zu jener Zeit von Nichtjuden durchaus gebräuchliche und negativ gemeinte Verallgemeinerung von jüdischen Männern.
    3. Schickse: Im Jiddischen gebräuchliche Benennung von nichtjüdischen Mädchen/ jungen Frauen. Zeitgenössischer Gebrauch auch von Nichtjuden im Zusammenhang mit „leichten Mädchen“ bzw. Flittchen.
    4. Kalle: Im Jiddischen hat es die Bedeutung von Braut, Geliebter, kann aber auch negativ auf Dirne/ Prostituierte bezogen werden. Gebrauch durch Nichtjuden hatte eher negative Bedeutung.
    5. Konnel: Hierbei wird es sich wohl um einen Übertragungsfehler handeln. Möglicherweise hat Pfarrer von Freyhold diesen Beilsteiner Nachnamen nie richtig ausgesprochen. Mit schriftlichen Unterlagen über die jüdischen Beilsteiner war er ja nie betraut. Es kann sich hier nur um die jüdische Familie Koppel handeln. Deren Sohn Karl, 1888 siebzehnjährig, wurde schließlich gut 50 Jahre später als alter Mann von den Nazis im Konzentrationslager Treblinka ermordet.